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Der Einsatz von Spielifizierung in der Fertigung und Montage

[04.03.2016]

Foto: Gajus - fotolia.com
Kennen Sie folgende Situation? In der Fertigung und Montage führen immer wiederkehrende, einfache Tätigkeiten schnell zu einem monotonen Arbeitsalltag. Auf die Mitarbeiter wirkt sich diese Eintönigkeit auf Dauer ermüdend aus. Während die Motivation für die auszuführenden Tätigkeiten sinkt, steigt das Risiko für Unfälle und Produktionsfehler. Der Einsatz von monetären Anreizen bleibt ohne Erfolg. Wie kann dem entgegengewirkt werden? Das TCW fand bei einem Maschinenbauunternehmen dieselbe Ausgangssituation vor. Unsere Lösung: Spielifizierung.

Auf der Überholspur mit Spielifizierung

Spielend die Mitarbeiter-Performance in der Fertigung und Montage erhöhen? Es klingt für viele Führungskräfte noch befremdlich, Spielkonzepte in die Arbeitswelt zu integrieren. Schließlich ist Arbeit kein Spiel, sondern bitterer Ernst. Doch gute Mitarbeiterleistung entsteht nicht zufällig. Um in kurzer Zeit qualitativ hochwertige Produkte herstellen zu können, spielt die Eigenmotivation der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle. So ist die Arbeitseffizienz von gelangweilten und demotivierten Produktionsmitarbeitern geringer als von motivierten Mitarbeitern. Eine Erklärung: Die Konzentrationsfähigkeit und Reaktionsschnelligkeit nehmen bei ermüdenden Tätigkeiten sehr schnell ab.

Die Unternehmen setzen deshalb Anreizsysteme ein. Diese sollen die Mitarbeiter für ihre Unternehmensziele motivieren und die Arbeit interessanter gestalten. Extrinsische Anreizsysteme, wie zum Beispiel Sach- und Geldprämien, finden in produzierenden Unternehmen eine flächendeckende Anwendung. Doch im Rahmen der Fertigung und Montage bleibt es so lediglich bei einem Motivationsimpuls. Ein nachhaltiger Motivationseffekt stellt sich nicht ein. Der langfristige Einsatz von extrinsischen Anreizen wirkt sich in Teilen sogar eher kontraproduktiv aus (z.B. Plateau-Effekt).

Ein vielversprechendes Konzept, Mitarbeiter nachhaltig zu motivieren, stellt der neue Trend „Spielifizierung“ dar. Hierbei werden bekannte Elemente aus Spielen in spielfremden Umgebungen angewandt. Auf diese Weise wird der Spieltrieb aktiviert, bei denen die Teilnehmer oft Zeit und Raum vergessen – der sogenannte Flow-Zustand. Das Spiel gleicht dabei einer Erholung. Die intrinsische Anreizsetzung ermöglicht es zudem, dass Mitarbeiter frei von Druck oder inneren Zwängen handeln. So arbeiten Mitarbeiter nicht mehr, weil sie es müssen. Vielmehr arbeiten sie, weil sie die Tätigkeiten gerne verrichten. Dieser motivationsfördernde Mechanismus konnte bereits in zahlreichen Anwendungen, wie im Vertrieb und im Marketing, nachgewiesen werden. Wie können aber die Vorteile der Spielifizierung in die Fertigung und Montage übertragen werden? Zusammen mit einem Maschinenbauunternehmen entwickelte das TCW ein entsprechendes Konzept.

Die Ausgangssituation beim Maschinenbauunternehmen

Die erste Analyse des Untersuchungsbereichs zu Beginn des Projekts offenbarte: Einseitig belastende Arbeit, hoher Ressourcenverbrauch und wenige Rückmeldungen über die erbrachte Leistung bestimmten die Fertigungs- und Montageprozesse. Ebenso konnten ein flächendeckender Einsatz von monetären Anreizen, ein erhöhter Krankenstand und eine hohe Personalfluktuation festgestellt werden (Vgl. Abbildung 1). Das unbeständige Erfahrungswissen im Fertigungs- und Montagebereich führte zudem dazu, dass hohe Aufwendungen für Schulungen und Einarbeitung neuer Mitarbeiter ausgegeben werden mussten. Vor dem Hintergrund einer stark wachsenden Konkurrenz stand das Unternehmen damit vor einem erheblichen Kosten- und Qualitätsdruck.

Die Entwicklung des Spielifizierungskonzepts

Im Anschluss an die Unternehmensbereichsanalyse folgte die Festlegung konkreter Zielvorstellungen an eine Spielifizierungsanwendung. Diese fixierten das TCW und das Maschinenbauunternehmen gemeinsam anhand der Ausgangslage. So sollte die Arbeit mit der Spielifizierung vor allem abwechslungsreicher und unterhaltsamer werden. Zusätzlich sollten Produktfehler verringert, Rückmeldungen über die erbrachte Leistung erhöht und der Austausch der Belegschaft verbessert werden. Bei der Entwicklung des Spielifizierungskonzepts konzentrierte man sich deshalb nicht nur auf den einzelnen Mitarbeiterprozess. Vielmehr wurden auch übergreifende Lösungen mitbetrachtet und in die Anwendung integriert.

Bei der Entwicklung des Spielifizierungskonzepts griff das TCW auf sein bereits mehrfach erfolgreich angewandtes Vorgehen zurück. Hierzu gehörte die Analyse und Ausgestaltung von sechs Bereichen:

  1. Identifikation der Spielercharakteristika
  2. Festlegung des gewünschten Verhaltens
  3. Festlegung der Spielmechanismen (z.B. Regeln)
  4. Auswählen von Spielkomponenten (z.B. Punkte, Abzeichen, Level)
  5. Definieren der Spieldynamik (z.B. Auswirkungen festgelegter Regeln auf den Spieler über die Zeit)
  6. Festlegung der Spielästhetik (z.B. Erzeugung von Spielemotionen)

Auf dieser Grundlage ergab sich ein Konzept, das pilothaft im Unternehmen umgesetzt wurde. Die Anwendung war dabei im Sinne einer Social-Media-Plattform aufgebaut. Die Nutzung dieser Plattform war auf den jeweiligen Touch-Bildschirmen am Arbeitsplatz möglich. So konnten sowohl gewöhnliche Montageplätze, die die verschiedenen Bauteilgruppen zusammenfügten, als auch spanende Fertigungsabläufe vom Spielifizierungsgedanken profitieren. Neben einem eigenen Profil konnten sich die Mitarbeiter über die verschiedenen Kommunikationskanäle der Plattform austauschen. Ein weiteres Plattform-Element war die Visualisierung aktueller Produktionskennzahlen. So gab es für das Erreichen einer bestimmten Soll-Produktionskennzahl eine festgelegte Anzahl an Punkten. Durch das Sammeln von Punkten konnten die Mitarbeiter oder auch die verschiedenen Schichten in einer Rangliste auf- und absteigen. Ebenso konnten die Mitarbeiter ihre eigenen Leistungen oder die der anderen Schichten miteinander vergleichen. Im Rahmen eines Levelsystems konnten zudem weitere Herausforderungen freigeschaltet werden. Um den Arbeitsprozess zusätzlich interessanter zu gestalten, wurden die einzelnen Arbeitsschritte verschiedener Bauteile auf dem Touch-Bildschirm noch einmal visualisiert. Sobald die Arbeitsschritte durchgeführt wurden, bekam der Mitarbeiter ebenfalls Punkte. Sie fragen sich, wie die Beendigung des Arbeitsschritts registriert wurde? Immer wenn ein Bauteil des Montageplatzes fertig erstellt wurde, wurde es vom Monteur auf ein Förderband gelegt. Am Förderband nahmen dann Sensoren das Bauteil auf und aktualisierten im System den Arbeitsfortschritt. Beim Fertiger registrierte das System die Fertigstellung des Bauteils durch eine manuelle Eingabe am Bildschirm. Sofern ein Mitarbeiter beim Sammeln von Punkten ein Level aufstieg, bekam er eine Videosequenz eingespielt.

Die Ergebnisse des Anwendungskonzepts

Die entscheidende Frage am Ende des Pilotprojekts: Welche Verbesserungen rief der Einsatz von Spielifizierung beim Maschinenbauunternehmen hervor? Durch den Einsatz der Spielifizierung in der Fertigung und Montage konnte die Anzahl der Produktionsfehler um durchschnittlich 17% verringert werden. Vor allem durch die Visualisierung der Arbeitsschritte am Touch-Bildschirm konnten die Kosten der Einarbeitung neuer Mitarbeiter um 12% verringert werden. Die Fluktuationsquote sank um 23%. Es hat sich demnach gezeigt: Durch Spielifizierung lassen sich noch ungeahnte Potentiale heben – auch in der Fertigung und Montage.

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