[30.01.2004]
Konzeptwettbewerbe führen in der Automobilindustrie zu einem tief greifenden Wandel, der die Zulieferer zu Partnern der OEM macht. Der Wettbewerb unter den Zulieferunternehmen ist zu einem Wettlauf um die besten Ideen geworden. Der Konzeptwettbewerb dient der Auswahl der Zulieferer vor einer Entwicklungspartnerschaft. Durch die Vergabe einer technischen Produktspezifikation haben alle Teilnehmer die Möglichkeit, ein Konzept zur Realisierung der benötigten Anforderungen zu erarbeiten und abzugeben. Beim Konzeptwettbewerb tritt das Ziel, den niedrigsten Preis in Relation zur gewünschten Qualität zu erzielen, hinter dem Ziel, die bestmögliche Innovation für ein bestimmtes Bauteil sicherzustellen in den Hintergrund. Der TCW-Report stellt das Organisationsproblem bei Entwicklungspartnerschaften dar. Er zeigt Vorgehensweisen und Gestaltungsfelder des Konzeptwettbewerbs auf und weist auf die erfolgskritischen Gestaltungsfelder des Konzeptwettbewerbs und des Know-how-Schutzes hin. Maßnahmen zur Steuerung von Entwicklungspartnerschaften gehen auf die Besonderheiten komplexer wandelbarer Entwicklungspartnerschaften zwischen Kooperation und Konkurrenz ein. Fallstudien verdeutlichen den Erfolg versprechenden Weg, um Konzeptwettbewerbe, Know-how-Schutz sowie die Projektsteuerung von Entwicklungspartnerschaften effektiv und effizient durchzuführen.
Problemfeld 1: Hohe Vergleichbarkeit der Konzepte bei gleichzeitigem Freiraum für Innovationen
Lösungsansatz 1: Aufspaltung des Lastenhefts in Kür- und Pflichteil
Eine Aufspaltung des Lastenhefts in einen Pflicht- und einen Kürteil bietet sich zur Beherrschung des Problemfeldes an. Die vollständige Umsetzung des Pflichtteils stellt die Vergleichbarkeit der von den Teilnehmern eingereichten Konzepte sicher. Der Pflichtteil lässt den Lieferanten in der Regel nur einen geringen Freiheitsgrad. Für die Einbringung zusätzlicher technischer Innovationen wird der Kürteil verwendet. Hierdurch bekommen die Zulieferer die Möglichkeit, zusätzliche innovative Elemente in des Konzept einzubringen, die erheblich von den im Lastenheft ursprünglich definierten Anforderungen abweichen können.
Problemfeld 2: Vermeidung des Abflusses von Know-how im Rahmen von Konzeptwettbewerben
Handlungsempfehlung 2: Know-how-Schutz-Portfolio
Zur Strukturierung und Priorisierung der Risiken sowie das Aufzeigen von Ansatzpunkten für die Risikohandhabung in Bezug auf den Know-how-Schutz bietet sich für die Zulieferer der Einsatz eines Know-how-Schutz-Portfolios an. In dem dreidimensionalen Portfolio werden die Bedeutung eines Auftrags, die Wahrscheinlichkeit und die Tragweite des Know-how-Abflusses in ihren jeweiligen Dimensionen abgetragen. In Abhängigkeit des klassifizierten Risikos lassen sich anschließend verschiedene Methoden zur Minimierung des Know-how-Abflussrisikos ableiten. An erster Stelle sind hierbei Geheimhaltungsvereinbarungen auf vertraglicher Basis zu nennen. Primäres Ziel dieser Vereinbarung ist nicht in der Möglichkeit der rechtlichen Sanktionierung von etwaigen Vertragsverletzungen zu sehen, sondern vielmehr in der Sensibilisierung aller Beteiligten bezüglich des Know-how-Schutzes. Eine weitere Methode stellt die Entwicklung von 80%-Lösungen dar. Das bedeutet, dass der Zulieferer im Rahmen eines Konzeptwettbewerbs lediglich Lösungen anbietet, die noch nicht zu 100% fertigentwickelt sind und erst bei der Auftragsvergabe zuende entwickelt werden. Die zielführendste Methode zum Know-how-Schutz stellen allerdings langfristige und persönliche Beziehungen der Beteiligten dar, da diese opportunistisches Verhalten am effizientesten verhindern.
Fallstudie 1: Opel
Bei Opel dient der Konzeptwettbewerb, im Rahmen der Supplier Integration, als probates Mittel zur Lieferantenauswahl. Er startet mit Lieferantenworkshops, in denen ein Konzeptblatt an die vorausgewählten Zulieferer übergeben wird. Die Konzeptphase schließt damit ab, dass eine funktionale Spezifikation vorliegt. Auf ihrer Basis optimieren die Zulieferer ihre Konzepte, präsentieren sie und die Lieferentscheidung wird getroffen.
Opel legt großen Wert auf eine kostenorientierte Entwicklung ohne andere Aspekte wie Qualität und technische Innovationen außer acht zu lassen. Um dies zu bewerkstelligen, wird im Konzeptwettbewerb eine Dreistufigkeit der sog. Performance festgelegt. Die Performance setzt sich aus funktionalen, qualitativen und sonstigen Kriterien zusammen. „High", „Medium" und „Low" Performance-Konzepte sind mit entsprechend unterschiedlichen Target-Costing-Sätzen verknüpft. So wird der Lieferant in die Lage versetzt, Konzeptalternativen auszuarbeiten, die nach Bedarf vom OEM eingesetzt werden können.
Fallstudie 2: DaimlerChrysler
DaimlerChrysler sieht die größten Vorteile im Konzeptwettbewerb in der Nutzung des Lieferanten-Know-hows und der Ermittlung vielfältiger Lösungsmöglichkeiten. Als Nachteile kennzeichnet man die Notwendigkeit detaillierter Vorgaben, den erhöhten Entwicklungsaufwand und die Möglichkeit, dass Lieferanten sich untereinander absprechen. Um den Nachteilen entgegenzuwirken, verlangt man eine Plausibilisierung der Kalkulationsangebote der Lieferanten sowie die ausschließliche Nutzung der Konzeptanfrage bei technologisch notwendiger Konzepterklärung.