[21.07.2009]
Das analysierte Unternehmen ist global agierender Zulieferer der Turbinentechnik mit Firmensitz in Deutschland. Trotz wachsender Umsätze in den letzten Jahren konnte keine Gewinnsteigerung realisiert werden. Als einer der Hauptgründe hierfür wurde eine stetige Zunahme des Bestandsvolumens relativ zum Umsatz festgemacht. Die Erhöhung des Umlaufvermögens band jedoch Kapital, welches nicht mehr für wichtige Investitionen zur Verfügung stand. Unter diesen Rahmenbedingungen wurde die TCW GmbH & Co. KG mit der Aufgabe der Bestandsreduzierung zur Verringerung des Working Capitals beauftragt.
Eine der wichtigsten Kernaussagen hinsichtlich Bestandsoptimierung lautet: „Bestände verdecken Prozessdefizite“. Deshalb ist es nicht damit getan, auf eine kurzfristige Bestandssenkung hinzuarbeiten, sondern durch eine gezielte Bestands- und Prozessanalyse ganzheitliche und nachhaltige Handlungsfelder zur Bestandsoptimierung zu identifizieren und zu implementieren.
In einem ersten Schritt wurden folgende Untersuchungen durchgeführt:
Während der Analyse der Bestände wurden diese in die drei Hauptkategorien RHB (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe), WIP (Work in Progress) und Fertigwaren eingeteilt. Hier wurde deutlich, dass der Fokus des weiteren Audits auf den RHB- und den WIP- Beständen liegen musste, da der Bestand an Fertigwaren gering war.
Eine Analyse der Bestandsreichweiten ergab, dass einerseits das Einkaufsvolumen mehrerer Rohstoffgruppen deutlich zu hoch angesetzt wurde und andererseits einige Rohmaterialien als Lagerhüter mit mehrjähriger Liegezeit identifiziert werden konnten. Die Umschlaghäufigkeiten pro Jahr variierten je nach Produktgruppe von 2,1 bis 4,9. Ein Benchmark vergleichbarer Konkurrenzunternehmen ergab einen Durchschnitt von 8 Lagerumschlägen pro Jahr; der allgemeine Branchendurchschnitt liegt sogar bei ca. 10 Umschlägen pro Jahr.
Neben Defiziten im Beschaffungsprozess wurden auch Schwachstellen im Auftragsabwicklungsprozess herausgearbeitet. Als besonders kritisch erwies sich die Schnittstelle von Produktionsplanung und Fertigungssteuerung. Die Kommunikation zwischen den beiden, auf zwei Standorte verteilten Stellen, beschränkte sich auf ein wöchentliches Meeting und unregelmäßige Telefonate. Zudem gab es einen Bruch zwischen den verwendeten Planungstools der beiden Stellen, so dass alle Aufträge von der Fertigungssteuerung in eine manuell erstellte Liste eingetragen und verplant wurden. Somit wurde die Fertigung von der Produktionsplanung als „black box“ betrachtet, was ein effizientes Monitoring des Planungs- und Fertigungsprozesses, sowie der aktuellen Bestandssituation deutlich erschwerte.
Eine weitere Analyse des Produktionsprozesses zeigte auch hier Defizite in der Fertigungssteuerung, was zu einer Planungshektik und mehreren halbfertigen Aufträgen in der Produktion führte; diese unabgeschlossenen Fertigungsaufträge waren einer der Treiber für hohe WIP-Bestände.
Nach Abschluss der Analysephase wurden neben mehreren kleineren Sofortmaßnahmen folgende bewährte Maßnahmen zur Bestandsreduzierung definiert. Dabei wurde besonders auf Optimierungsansätze im Planungs- und Fertigungsprozess geachtet, da nur durch eine nachhaltige Prozessoptimierung eine langfristige Bestandsreduzierung erreicht werden kann:
Im Rahmen der Beschaffungsoptimierung wurden zur Reduzierung der RHB-Bestände in einem ersten Schritt lang liegende Lagerhüter abverkauft. Weiterhin wurde unter Zuhilfenahme einer ABC- und XYZ-Analyse sowohl die Volatilität des Materialbedarfs als auch die Wertigkeit der verschiedenen Rohmaterialien ermittelt. Für besonders hochwertige Rohstoffe wurden bedarfsgerechte Beschaffungskonzepte mit flexiblen Bestellmengen und Bestellzeitpunkten definiert. Außerdem wurden unter Anwendung des TCW Lieferantenbewertungs-Tools zusätzliche A-Lieferanten festgelegt, um durch ein Multi-Sourcing eine größere Unabhängigkeit von der Liefertreue und Preisgestaltung eines einzelnen Lieferanten zu gewinnen.
Zur Reduzierung von Verschwendung und Blindleistung an den Schnittstellen der Auftragsabwicklung wurde ein ganzheitliches PPS-System eingeführt und, je nach Machbarkeit, die Arbeitsplätze der Mitarbeiter der verschiedenen Abteilungen in einem Raum zentriert. Die Nutzung einer einheitlichen Software ermöglicht das schnelle und übersichtliche Monitoring aller eingesteuerten Aufträge und deren momentaner Stufe im Wertschöpfungsprozess. Durch eine Einführung des FiFo-Konzepts in der Fertigung wird nun ein Großteil der Aufträge schnell und effizient durch die Fertigung geschleust, ohne für einen anderen Fertigungsauftrag als Halbfertigware zurückgestellt zu werden. Die räumliche Zusammenfassung der Mitarbeiter in einem Auftragsabwicklungszentrum schafft kurze Wege und fördert die Kommunikation zwischen den einzelnen Bereichen. Dies fördert ein effizientes Änderungsmanagement und den Abbau von Komplexität und Intransparenz.
Zur Optimierung des Fertigungsprozesses wurde neben der Einführung eines PPS-Systems auf eine Layoutoptimierung geachtet. Um die Transparenz des Produktionsprozesses zu erhöhen und Bestände zwischen verschiedenen Wertschöpfungsstufen auf den ersten Blick sichtbar zu machen, wurden einige Aggregate umgestellt, so dass das Layout nun dem Materialfluss entsprach. Zudem wurden Bahnhöfe nach dem FiFo-Prinzip bei allen Aggregaten der Produktion ausgezeichnet. Somit wurden kleine und übersichtliche Lagerflächen geschaffen, welche den WIP-Bestand nach Wertschöpfungsstufen trennen und einer unbeabsichtigten, simultanen Bearbeitung mehrerer Aufträge entgegen wirken.
Diese Maßnahme wirkte sich signifikant auf eine Reduzierung der Durchlaufzeit und eine Reduzierung des WIP-Bestandes aus.
Durch die Implementierung der einzelnen Maßnahmen der drei Handlungsfelder konnten die Bestände langfristig um 30% gesenkt werden.