[25.07.2000]
Im Rückblick auf die Entwicklung der Zulieferindustrie lassen sich drei Phasen erkennen. Die erste Phase war gekennzeichnet von einem massiven Kostendruck der Hersteller, der an die Zulieferanten weitergegeben wurde. Strukturelle, organisatorische und informationstechnologische Anpassungen waren die Folge für die Zulieferindustrie. Zulieferanten im Ostblock wurden aufgrund des niedrigeren Lohnniveaus sukzessive zur Konkurrenz für westdeutsche Unternehmen. Die zweite Phase als konsequente Fortführung dieser Entwicklung spiegelt sich in der Konzentrationswelle wider. Die Hersteller wählten ihre Zulieferanten explizit aus. Im ersten Halbjahr 1997 wurden Übernahmen von Zulieferunternehmen in Deutschland von mehr als 3 Mrd. US $ Umsatzvolumen durch amerikanische Unternehmen festgestellt sowie eine extreme Reduzierung auf kompetente Zulieferanten (von 2000 auf 500-800 Zulieferer) und eine daraus resultierende 3-Klassen-Gesellschaft der Zulieferanten. Um dieser Konzentrationswelle zu entrinnen, erkannten große wie kleine und mittelständische Zulieferanten ihre Problemlösungskapazität, ihr Produkt- und Prozess-Know-how, das sie vehement weiterentwickelten. Damit war die dritte Entwicklungsphase der Zulieferindustrie dadurch gekennzeichnet, dass eine reine kostenmäßige Anpassung mit Innovationsfähigkeit kombiniert werden musste.
Um diesen Erneuerungsprozess zu vollziehen, stehen den Zulieferunternehmen mehrere Wege offen: der Rückzug in die Nische, die Fusion mit einem der Großen der Branche oder der Ausbau der eigenen Aktivitäten. Der Ausweg in die Fusion scheint nach den fragwürdigen aktuellen und zurückliegenden Erfahrungen immer weniger ein Weg aus der Krise zu sein. Reine Skaleneffekte verlieren an Bedeutung, wenn es um eine neue Qualität in der Zusammenarbeit von Lieferanten und Abnehmern geht. Der Hersteller sucht keinen Partner für primitive Massenproduktionen. Er braucht Kooperationen, in denen durch das Zusammenlegen und Aktivieren von Know-how und Wissen eine höhere Stufe in der Wertschöpfung erlangt wird.
Die Bildung von Netzwerken als eine Form der unternehmensübergreifenden Kooperation ist ein Ansatz, der nicht nur eine Antwort auf die sich wandelnden Rahmenbedingungen darstellt, sondern den Wettbewerb aktiv gestalten wird und insbesondere auch für kleine Unternehmen die Chance eröffnet, die eigenen Vorteile mit den Stärken eines größeren zu paaren. Untersuchungen haben ergeben, dass insbesondere die internationale Erfahrung und Präsenz, die Reaktionsgeschwindigkeit der Unternehmen, die Innovationsleistung und nicht zuletzt die Kooperationsbereitschaft zukünftig steigende Bedeutung für die Zulieferindustrie besitzen. Um diesen erfolgsbestimmenden Variablen gerecht zu werden, sind Spitzenleistungen in allen Unternehmensbereichen erforderlich. Erst durch ein Umdenken des Managements und die Investition in Netzwerke kann dies geschafft werden. Beispiele der Automobilindustrie sind auf alle Branchen mit mehr oder weniger großen Anpassungen zu übertragen. So schlossen sich unter der Federführung der Hella KG in Lippstadt sechs Zulieferunternehmen zusammen, um gemeinschaftlich die Entwicklung des Frontend eines Autos voranzutreiben. Projektteamsitzungen und eine beiderseitige Vertrauensbasis unterstützten das Vorhaben und konnten bereits Kostenersparnisse von bis zu 30% am Produkt realisieren.