[12.07.2018]
Der Luftfahrtsektor weißt ein beträchtliches Umsatz- und Margenpotenzial im After-Sales-Service auf. Aufgrund der hohen Lebensdauer und der starken Beanspruchung von Turbinenkomponenten ist hier insbesondere das Ersatzteilgeschäft für Hersteller von höchstem Interesse. Die hohe technische Komplexität, die starke Beanspruchung sowie der lange Lebenszyklus von mehreren Jahrzehnten machen Turbinenschaufeln zu einem Kernelement im Ersatzteilgeschäft des Unternehmens. Möglichst geringe Standzeiten und eine maximale Ersatzteilverfügbarkeit sind für die Flottenbetreiber von höchster Priorität.
Im vorliegenden Fallbeispiel bedeutet das für den Hersteller, die entsprechenden Ersatzteile und Komponenten über mehrere Jahrzehnte zu lagern und auf individuellen Kundenwunsch nachzuproduzieren. Neben einer hohen Kapitalbindung hat dies auch einen hohen logistischen Aufwand und eine hohe Komplexität in der Fertigungskette zur Folge. Ziel des Projekts war es, durch eine Nutzwertanalyse neue Ansätze zu untersuchen, um diese Faktoren zu verbessern und somit Zeit und Kosten zu sparen.
Für die Nutzwertanalyse wurde der Einsatz von additiver Fertigung im After-Sales-Service der Kernprodukte des Unternehmens untersucht. Zu diesen Kernprodukten gehören Turbinenteile für die Bereiche Luftfahrt und Kraftwerksbau (Gasturbinen). Trotz technologischer Unterschiede weisen die beiden Anwendungsfelder zahlreiche Gemeinsamkeiten wie anspruchsvolle gesetzliche Rahmenbedingungen und Zertifizierungsprozesse, hohe technische Anforderungen und komplexe Herstellverfahren für die Turbinenkomponenten auf. Turbinenschaufeln stellen durch die hohe thermische und mechanische Beanspruchung, die wechselnden Umweltbedingungen sowie die hohen Anforderungen an die Dauerfestigkeit, ein besonders kritisches Bauteil mit einer hohen Bedeutung für das Ersatzteilgeschäft dar. Der Herstellprozess unterliegt dabei großen prozesstechnischen Herausforderungen, was sich in folgenden Punkten wiederspiegelt:
Trotz eines modernen Fertigungssystems führen konventionelle Herstellverfahren regelmäßig zu Flexibilitätsgrenzen. Der Einsatz additiver Fertigungsverfahren greift gezielt an diesen Schwachstellen an.
Durch den zielgerichteten Einsatz additiver Fertigung lassen sich neue Potenziale zur Kundenwertgenerierung und Herstellkostenoptimierung erschließen.
Durch die Übertragung des 3D-Druck-Ansatzes auf den Produktbereich der Turbinenschaufeln konnten die Schwachstellen und technologischen Herausforderungen im Herstellprozess aufgezeigt werden. Als additives Verfahren wurde der Laserdruck auf Basis eines individuell entwickelten Metallpulvers herangezogen. Für eine optimierte Bauteilgeometrie insbesondere in Bezug auf die Form und Lage der zahlreichen Kühlkanäle im Bauteil bietet die additive Fertigung einen deutlichen Gestaltungsvorteil gegenüber herkömmlichen Guss- und Schmiedeverfahren, da die Lage und Formgebung des Kanalsystems nicht mehr durch die technischen Grenzen dieser Herstellprozesse limitiert ist. Über den Lebenszyklus der Turbine ergab sich daraus ein erhebliches wirtschaftliches Potenzial für das Unternehmen.
Auch auf der Produktionsprozessebene bietet das neue Verfahren deutliche Vorteile: Im Gegensatz zu den bisher genutzten Herstellprozessen lassen sich auf Basis der additiven Fertigung auch kleine Produktionschargen mit geringem Produktionsaufwand realisieren, wodurch neben dem Ersatzteilgeschäft auch das Prototyping und die Kleinserienproduktion profitieren.
Die Nutzwertanalyse ließ auf folgende Vorteile durch den Einsatz von additiver Fertigung schließen:
Langfristig ist davon auszugehen, dass das Additive Manufacturing einen tiefgreifenden Strukturwandel im After-Sales-Service hervorruft. Hohe Lager- und Transportkosten, die heute die zentralen Kostentreiber insbesondere im Ersatzteilgeschäft darstellen, lassen sich künftig durch eine dezentralisierte Produktion auf Basis eines global verteilten Netzwerks an 3D-Druck Stationen deutlich reduzieren, während die Teileverfügbarkeit nachhaltig steigt. Auch gänzlich neue Geschäftsmodelle wie kundenspezifische Betreiber- und Lizenzmodelle für den Druck der Ersatzteile direkt beim Kunden sind denkbar. Auch die Kosten- und Zeitpotenziale im Herstellprozess sind noch längst nicht ausgeschöpft.
Durch die Unterstützung des TCW konnten die Einsparungen und Verbesserungen im Bereich des After-Sales-Services für das Unternehmen branchen- und unternehmensbezogen dargestellt werden. Mögliche Potenziale konnten durch die Nutzwertanalyse ausgewiesen und deren Umsetzbarkeit mit einer Machbarkeitsstudie dargelegt werden.