[08.09.2000]
Die Anforderungen an Führungskräfte haben sich sowohl in Konzernen als auch in Klein- und Mittelbetrieben in den letzten Jahren stark verändert. War früher die Fachkompetenz, kombiniert mit einer angemessenen ‘Portion‘ Führungsfähigkeit, primär ausschlaggebendes Argument zur Auswahl von Führungskräften, reicht heute der Champion in fachlicher Hinsicht nicht mehr aus. Das selbstbewußte, gewandte persönliche Auftreten, die Kompetenz, Strategien zu entwickeln und umzusetzen, das Beherrschen von Methoden sowie Sensibilität gegenüber anderen Kulturkreisen repräsentieren nur beispielhaft das Mosaik an Kenntnissen und Fähigkeiten, die den erfolgreichen ‘Manager‘ und die erfolgreiche Führungskraft im globalen Umfeld charakterisieren. Aktuell finden jedoch zielgruppenspezifische Methoden zur Erfassung und Bewertung der vorhandenen Managementqualifikationen weder in der Rekrutierungsphase noch in der Phase der Führungskräfteentwicklung eine flächendeckend Anwendung. Das Konzept des Führungskräfteaudits umfaßt dagegen ein praxisorientiertes Instrumentarium zur Einschätzung von Managementpotentialen, unabhängig, in welchem Stadium des Personalmanagements es eingesetzt wird. Als Bausteinkonzept ermöglicht es die flexible Anpassung der Module an die spezifischen Unternehmenskonstellationen und dynamischen Umweltbedingungen. Darüber hinaus bildet es die Basis für die Ableitung kompetenter Personalstrategien im Hinblick auf die Karriereförderung von High Potentials. Das Instrument Führungskräfteaudit ermöglicht, metaphorisch gesagt, ‘das Erkennen von Delphinen und Haien im Meer Unternehmen‘.
Die Zielsetzungen des Führungskräfteaudits liegen vor allem in der Transparentmachung vorhandener Kompetenzprofile, der Identifikation von Qualifikationsdefiziten sowie der dynamischen Anpassung der Profile an die gewandelten Mitarbeiteranforderungen. In operativer Hinsicht ist das Führungskräfteaudit ein Verfahren zur Personalauswahl und Personalbeurteilung. Aus personalstrategischer Sicht ist es jedoch eine Verfahrensweise der unternehmensinternen Laufbahnplanung sowie der langfristigen Planung der Qualifikationsbedarfe, eine Methodik zur Erfassung von Qualifizierungsbedarfen bei Führungskräften sowie ein Instrument zur Motivation der Führungskräfte für ein ‘lebenslanges Lernen‘. Die Gewährleistung der Zielerreichung erfordert ein zyklisches Durchlaufen der fünf spezifischen Auditierungsphasen.
Die Anforderungsanalyse dient der systematischen und detaillierten Ermittlung von aktuellen sowie zukünftigen Anforderungsprofilen für Führungskräfte. Sie ist ein grundlegender Bestandteil des Audits, da erst mittels Abgleich von Anforderungsprofil und vorhandenem Kompetenzprofil eine Ableitung von individuellen Führungskräfteentwicklungsmaßnahmen und weiterführender Personalstrategien möglich wird. Die Gestalt des Anforderungsprofils definiert bereits an dieser Stelle das Profil des ‘Delphins‘. Folgende Methoden finden in der Praxis Anwendung: Arbeitsplatzanalyse, Experten-Befragung, Strategie- und Organisationsanalyse und vereinzelt Benchmarking.
Im Rahmen jener Phase erfolgt die Erhebung der bei der einzelnen Führungskraft vorhandenen Kompetenzprofile. Eingesetzt werden zu diesem Zweck vielfältige Auditierungsmethoden, deren Anwendung nach Zielgruppe, Unternehmensgröße sowie definierter Personalstrategie in der Praxis variiert. Insbesondere weiche Faktoren wie soziale Kompetenz lassen sich zum Teil nur über den kombinierten Einsatz verschiedener Instrumente erfassen. Zentrale Methodenbausteine der Auditierung von Führungskräften repräsentieren z.B. das retrospektive Einzelinterview, die perspektivische Gruppendiskussion, die Mitarbeiterbefragung, das 360°-Grad Feedback sowie der Einsatz klassischer Techniken wie Rollenspiele, Fallstudien, Postkörbe im Rahmen von Assessment-, Orientierungs- und Feedback-Centern. Die Begleitung der Auditierungsmethoden erfolgt durch geschulte Beobachter und Trainer, die Ergebnisse werden in Beurteilungs- und Ergebnisbögen festgehalten. Auch hier zeigt sich der ‘Hai‘ oder ‘Delphin‘ in den individuellen Verhaltensweisen.
Die Ermittlung von Qualifikationsdefiziten hinsichtlich der einzelnen Kompetenzarten setzt einen Abgleich von Sollprofil und Istprofil voraus. Ergänzt wird der Profilvergleich in der Praxis häufig durch die Erstellung von Führungskräftportfolios, die eine Einschätzung der Entwicklungspoptentiale der Führungskräfte, in Abhängigkeit von der vorhandenen Ist-Kompetenzausprägung enthält.
Zur Schließung der Potentiallücken sind führungskräftebezogene Qualifizierungspakete zu konzeptionieren sowie Coaching- und Mentoringpartner zu definieren. Bei mangelndem Entwicklungspotential oder zu großen Potentiallücken kann eine mögliche Personalstrategie im Führungskräftebereich auch die Entwicklung von Outplacementkonzepten sein.
Diese Phase beinhaltet die Durchführung der Qualifizierungs- und Coachingmaßnahmen sowie die Evaluation durch Instrumente zur Ermittlung des tatsächlichen Lerntransfers.Die Frage, ob nun der ‘Delphin‘ oder ‘Hai‘ der erfolgreiche Mangagertypus der Zukunft ist, muss jedes Unternehmen selbst beantworten. Denn nur die Entscheidungsträger kennen die Schlüsselkompetenzen, die für das eigene Unternehmen erfolgsträchtig sind. Das Führungskräfteaudit ermöglicht jedoch eine fundierte und nachvollziehbare Betrachtung der vorhandenen Kompetenzprofile, unabhängig davon, welchem Managertypus der Vorzug gegeben wird. Zu beachten bleibt jedoch, dass sich auch unter den Auditoren ‘Delphine‘ und ‘Haie‘ tummeln ...