[24.05.2016]
Im aktuellen Fallbeispiel handelt es sich um ein Unternehmen aus der Prozessindustrie. Eine hohe Anlagenverfügbarkeit war essenziell für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. In den vergangenen Jahren waren zwei Trends auszumachen. Zum einen stiegen die Instandhaltungskosten deutlich an. Zum anderen sank die Anlagenverfügbarkeit. Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären? Das Unternehmen betraute die Unternehmensberatung TCW mit der Klärung dieser Frage und der Erarbeitung von Gegenmaßnahmen.
Die Analyse zeigte, dass Instandhaltungsabteilung und Produktionsmannschaft weitgehend unabhängig voneinander agierten. Produktionsmitarbeiter verstanden sich ausschließlich als Anlagenbediener. Sie kannten die Technik der Maschinen, die sie bedienten kaum. Die Instandhalter betrachteten Inspektion, Wartung und Reparatur als ihr Kerngeschäft. Die kleine Mannschaft reichte aber nicht aus, um Anlagenstillstände konsequent zu vermeiden und gleichzeitig vorbeugende Instandhaltung zu betreiben. Als Resultat wurden Überstunden aufgebaut und Instandhaltungsdienstleister beauftragt, die eigene Instandhaltungsabteilung zu unterstützen. Diese externen Dienstleister waren im Vergleich zu den internen Mitarbeitern um etwa 50% teurer. Zudem wurden Informationen zu Problemen an den Anlagen nicht systematisch geteilt. Die Anlagenbediener waren nicht mit in die Instandhaltung eingebunden. Sie verfügten jedoch über freie Kapazitäten. Dies lag an einem hohen Automatisierungsgrad und geplanten Stillstandszeiten bei Produktumstellungen. Es zeigte sich, dass Know-how und Personal vorhanden war. Diese wurden jedoch nicht richtig allokiert. Innerhalb des Unternehmens bestand Einigkeit darüber, dass eine optimierte Organisation von Produktions- und Instandhaltungspersonal ein großes Potenzial darstellt.
Der von allen Seiten begrüßte Lösungsansatz war das Konzept der autonomen Instandhaltung. Dabei übernehmen die Anlagenbediener einen Teil der originären Instandhaltungsaufgaben. Hier sind vor allem einfache Tätigkeiten wie Überprüfungen, Schmierarbeiten oder Reinigungs- und Einstellarbeiten gemeint. Es zeigt sich jedoch, dass die Anlagenbediener zunehmend komplexere Aufgaben übernehmen können je länger ein solches Konzept implementiert ist. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass die Anlagenbediener ein umfassenderes Verständnis für die Produktionsmaschinen entwickeln und bewusster mit ihnen umgehen. Die Anzahl der Anlagenausfälle konnte weiter reduziert werden. Das Ziel ist die Senkung der Instandhaltungskosten durch eine verbesserte Nutzung bereits vorhandener Ressourcen bei einer gleichzeitigen Verbesserung der Anlagenverfügbarkeit.
Das Projekt beinhaltete eine Vorgehensweise in vier Phasen.
Zunächst wurden mit der Instandhaltungsabteilung alle Tätigkeiten identifiziert, die sich für eine autonome Durchführung durch Anlagenbediener eignen. Dabei wurden die Aufgaben genau charakterisiert. Dauer, Frequenz und Voraussetzungen wurden aufgenommen. Grundlage für diese Aufnahme waren Wartungspläne, Schichtbücher und Aufträge an externe Anbieter. Im zweiten Schritt erfolgte die Aufnahme der freien Kapazitäten der Produktionsmitarbeiter. Hierfür war es erforderlich, die Prozessabläufe in der Produktion zu analysieren und diese mit Schichtführern, Betriebsrat und der Produktionsleitung abzustimmen. Ziel war es, ein Commitment der beteiligten Akteure zu erreichen, da nur so sichergestellt werden kann, dass die Optimierungsmaßnahmen auch gelebt werden. Es folgte die Priorisierung der Tätigkeiten. Die Umsetzung beginnt mit den Tätigkeiten, die zuerst übernommen werden können, ohne die Anlagenbediener zu überfordern und ohne die Anlagenverfügbarkeit zu gefährden. Die organisationale Implementierung erfolgt ebenso in Begleitung durch das TCW. Review-Meetings am runden Tisch erlaubten allen Beteiligten nach jedem Umsetzungsschritt aus den vorherigen Fehlern zu lernen.
Es geht in der autonomen Instandhaltung nicht nur darum, die Instandhaltungskosten zu reduzieren. Es war das Ziel, die Anstrengungen der Mitarbeiter auf ein gemeinsames Ziel hin auszurichten, sodass vorhandene Ressourcen optimal genutzt werden können.
Durch die organisatorische Implementierung der autonomen Instandhaltung innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen war die Übernahme von über 6000 Arbeitsstunden pro Jahr durch die Anlagenbediener möglich. Von diesem Umfang konnten in der ersten Implementierungsphase bereits 3000 Stunden realisiert werden. Konkret konnten in diesem Fall die Umfänge der Fremdinstandhalter deutlich reduziert werden. Knapp ein Viertel der Aufwände der Instandhaltungsspezialisten konnte reduziert werden, ohne dass Personal abgebaut werden musste.