[05.01.2012]
Der Produktionsanteil in Schwellenländern wie Mexiko, Brasilien, Indien oder Malaysia ist in den letzten Jahren gerade auch bei deutschen, international tätigen Unternehmen erheblich gestiegen. Neben der traditionell starken Automobilindustrie haben auch Unternehmen anderer Branchen damit begonnen, ihre Produktion in diese Länder zu verlagern. Zur Hebung von Einsparpotentialen hat sich auch der betrachtete Automobilzulieferer entschlossen, Teile der eigenen Produktion für hochpräzise Halbzeuge zu einem Lieferanten nach Mexiko zu verlagern. Durch die Positionierung der Produkte im TOP-Segment konnte bei der Verlagerung kein Qualitätsrisiko akzeptiert werden. Daher war es erforderlich den zukünftigen Lieferanten durch ein umfassendes Projekt zur Lieferantenentwicklung von Beginn an zu befähigen.
Das Produktspektrum des Unternehmens ist von einer hohen Variantenvielfalt, gekoppelt mit einer sehr geringen Stückzahl der einzelnen Varianten (teilweise hatten Teilenummern einen Jahresbedarf von unter 100 Stück) bei gleichzeitig hohen Stückkosten gekennzeichnet. Um die Kapitalkosten gering zu halten, fertigt das Unternehmen nicht auf Lager sondern überwiegend auf Bestellung. Ziel des Projektes war es, die bestehende Inhouse-Produktion von Halbzeugnissen in den USA in ein Niedriglohnland bei einem externen Lieferanten zu lokalisieren. Zur Gewährleistung der Lieferzeiten spielte daher bei der Auswahl des Lieferanten neben einer fachlichen Qualifikation insbesondere die verkehrsgünstige Anbindung an die Produktionsstandorte in den USA eine entscheidende Rolle. Aus diesem Grund wurde ein Lieferant mit einer amerikanischen Muttergesellschaft an der amerikanisch-mexikanischen Grenze ausgewählt. Der nominierte Lieferant hatte jedoch noch keine Erfahrung in der Herstellung der Produkte sondern hatte lediglich ein rudimentäres Know-how in den Fertigungsprozessen aus Produkten mit dem gleichen Rohstoff. Daher musste zuerst ein umfassendes Projekt mit dem Ziel der Lieferantenentwicklung als Teil eines ganzheitlichen Lieferantenmanagementprozesses aufgesetzt werden.
Zunächst wurden das vorhandene Know-how sowie die Produktionsprozesse durch ein Produktionssystem- sowie Produktionsrisikoaudit intensiv untersucht und detailliert beschrieben. Damit der mexikanische Lieferant die notwendigen Maßnahmen finanzieren konnte (u.a. Neubau einer Lackiererei und Anschaffung neuer Fertigungszentren), hat das Unternehmen vereinbart, sofort die ersten Produktionsumfänge zu vergeben und nicht erst auf die vollständige Umsetzung aller erforderlichen Maßnahmen zu warten. Mit erfahrenen Mitarbeitern aus dem bisherigen Produktionsstandort des Automobilzulieferers in den USA sowie Fertigungsexperten des Lieferanten wurde auf Basis der im Audit gewonnenen Informationen Produkte identifiziert, die mit dem vorhandenen Wissen und Prozessen in der notwendigen Qualität gefertigt werden konnten.
Auf Grundlage eines Vertrages zur Lieferantenentwicklung wurde für die weitere Zusammenarbeit ein Projektteam aus Mitarbeitern beider Unternehmen zusammengestellt. Mit den Vereinbarungen aus diesem Vertrag konnte dieses Projektteam auf alle notwendigen Ressourcen zur Lieferantenentwicklung innerhalb der Organisation des Lieferanten in Mexiko sowie situativ auf Experten des betrachteten Automobilzulieferers zurückgreifen. Innerhalb eines Master-Projektplans wurden Maßnahmen mit festen Verantwortlichkeiten definiert. Darin enthalten waren auch definierte Termine für weitere Audits durch Produktionsexperten des betrachteten Unternehmens. Ebenfalls wurden Qualitätskennzahlen und entsprechende Richtwerte für die Produkte definiert. Entsprechend der Qualitätsperformance wurde die ursprünglich vereinbarte 100%-Teileprüfung sukzessive auf eine Stichprobenprüfung zurück gefahren.
In monatlichen Management-Meetings der Führungsebene beider Unternehmen wurde der Projektfortschritt sowie die Ergebnisse der Audits durch die Projektleitung (je ein Projektleiter aus beiden Unternehmen) vorgestellt. Diese Management-Meetings bildeten die Entscheidungsgrundlage für weitere Investitionsschritte auf Seiten des Lieferanten bzw. weitere Verlagerungsumfänge auf Seiten des Automobilzulieferers.
Durch den mehrstufigen Verlagerungsprozess über einen Zeitraum von 2 Jahren konnte sichergestellt werden, dass der neue Lieferant Schritt für Schritt an die Komplexität der Produkte herangeführt und gleichzeitig ein gemeinsames Qualitätsverständnis geschaffen wird. Durch die gute verkehrstechnische Anbindung Mexikos an die USA konnte auch die ursprüngliche Lieferqualität gegenüber den Kunden erhalten werden. Das betrachtete Unternehmen hat durch die Verlagerung der lohnintensiven Produktion aus den USA nach Mexiko den durchschnittlichen Teilepreis mehr als halbiert.