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Partnerwahl in Entwicklungsprojekten - Möglichkeiten für die Gestaltung einer Win-Win-Situation

[30.04.2003]

Foto: alphaspirit / fotolia.com
Ein Kenner der Automobil- und Zuliefererbranche sagte: „Wer nicht bekannt ist beim OEM wird keine Chance haben, einen Auftrag zu bekommen." Dies zeigt, dass von vorne herein die Partnerwahl durch Erfahrungswerte und dem daraus resultierenden Vertrauen in den Zulieferer und die Qualität der abzuliefernden Leistung bestimmt ist. Die Partnerwahl und die Gestaltung einer Win-Win-Situation sind somit immens wichtig für den Fortbestand der Geschäftsbeziehungen über aktuelle Projekte hinaus.

Im Zuge der Konzentration auf Kernkompetenzen entwickeln sich Hersteller - insbesondere die Automobilindustrie - immer mehr zu Marken-Managern und Systemintegratoren. Sie vergeben spezifische Aufgaben entlang der Wertschöpfungskette an Unternehmen der Zulieferindustrie, die über spezialisiertes Know-how in den Bereichen Konzeption, Konstruktion, Entwicklung und Fertigung verfügen. Dabei schließen sie sich immer häufiger zu projektspezifischen Partnerschaften - insbesondere Entwicklungspartnerschaften - zusammen.

Auch wenn durch den weiterhin stattfindenden Konzentrationsprozess auf beiden Seiten die Zulieferer zukünftig verstärkt Wertschöpfungsaktivitäten der Hersteller übernehmen werden, wird nach Meinung der Experten ihr Einfluss auf Entscheidungen, die im Rahmen der Zusammenarbeit zu treffen sind, nicht signifikant zunehmen. Dies ergibt sich aus der oligopolistischen Position der Automobilhersteller, womit weiterhin die Machtverhältnisse auf Seiten des OEM liegen.

Dennoch haben viele Automobilkonzerne mittlerweile festgestellt, dass eine partnerschaftliche Zusammenarbeit durch weitaus mehr Erfolg gekrönt ist, als in einem Wettbewerb miteinander zu stehen und dabei von den Zulieferern als ausbeuterische Geschäftspartner empfunden zu werden. Es wird ein partnerschaftliches Miteinander angestrebt, was nach dem Vorbild japanischer Unternehmen bereits seit längerem von Unternehmen wie DaimlerChrysler und BMW teilweise adaptiert wird. Aber auch Opel und VW haben die Zeichen erkannt und befinden sich im Umbruch hin zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Die größte Schwierigkeit liegt jedoch weiterhin in der Gestaltung der Zusammenarbeit dahingehend, dass eine sogenannte Win-Win-Situation entstehen kann.

Wesentliche Voraussetzung für die Schaffung einer Win-Win-Situation beginnt bei der systematischen Auswahl geeigneter Partnerunternehmen. Dabei spielen unter anderem die Kernkompetenzen, das Know-how, der strategische und kulturelle Fit im Sinne von Zielkonformität, Image, Chancen für eine faire Zusammenarbeit und Mentalität, die Marktposition, Ausschlusskriterien und Erfahrungswerte aus vorhergehenden Projekten eine entscheidende Rolle. Zusätzlich haben die Unternehmen meist umfangreiche und detaillierte Handbücher zur Lieferantenbewertung, die die Kriterien der Partnerwahl auflisten, definieren und Gewichtungen festlegen. Diese Handbücher haben nicht nur die Automobilhersteller wie beispielsweise DaimlerChrysler und Opel, sondern auch die Zulieferunternehmen wie Freudenberg, Hella und Johnson Controls erstellt. Weiterhin ist es zielführend, wenn sowohl Zulieferer als auch OEM ihr Kernkompetenzportfolio kennen, um nicht nur in einer besseren Verhandlungsposition zu sein, da sie sich ihrer Stärken bewusst sind, sondern zusätzlich um eine optimale Abdeckung der Produktpalette zu erlangen und den besten Partner zu finden.

Um jedoch nach Auswahl eines geeigneten Lieferanten eine partnerschaftliche Zusammenarbeit im Sinne beidseitiger Zufriedenheit durchführen zu können, müssen einige Rahmenbedingungen gemeinsam geschaffen werden. Es müssen allgemeine Regeln partnerschaftlicher Zusammen­arbeit eingehalten und im Zweifelsfalle neu definiert werden. Dazu gehört die Verpflichtung das Know-how des Partners nicht an Dritte weiterzugeben, erarbeitete Einsparungspotenziale und die daraus entstandenen Gewinne gemeinsam abzuschöpfen, sowie eine weitest gehende Transparenz in Bezug auf Prozesse und Kosten sicherzustellen. Vertrauen und ein faires Miteinander sind hierbei vorauszusetzen. Der Schutz und die Nichtweitergabe des Know-how sowie ein vertrauensvoller und fairer Umgang mit den Geschäftspartnern kann beispielsweise bei DaimlerChrysler und BMW beobachtet werden. Jedoch besteht weiterhin die Forderung nach Transparenz der Kostenstrukturen der Zulieferteile, insbesondere bei den Kosten der Entwicklungsleistungen.

Damit bekannte oder absehbare Problemfelder und deren Folgen eingrenzbar bleiben, ist es zu empfehlen, dass Ziele gemeinsam festgelegt werden, damit eine einheitliche Richtung sichergestellt ist. Unternehmensübergreifende Geschäftsprozesse sollten zur Vermeidung von Redundanzen gemeinsam strukturiert und getragen werden. Dies enthält auch die Forderung nach einer einheitlichen Datenbasis. Auch ein gemeinschaftlich erarbeitetes Änderungsmanagement kann den weiteren Verlauf der Zusammenarbeit gerade in Bezug auf Folgekosten optimieren.

Bei genauer Betrachtung der Gestaltungsparameter und Auswahlkriterien partnerschaftlicher Zusammenarbeit fällt immer wieder der Begriff "gemeinsam". Eine gemeinsame Gestaltung der Zusammenarbeit setzt Verantwortlichkeiten beider Parteien voraus. Dabei liegt die Verantwortung beim meist stärkeren OEM darin, den Partner nicht zu übervorteilen und an seine finanziellen Grenzen zu treiben. Seitens des Zulieferers besteht die Verantwortung in der Qualitätssicherung. Gegenseitig müssen sie das intellektuelle und innovative Kapital des Partners schützen und nicht an Dritte weitergeben. Vertrauen und Fairness im Umgang miteinander erlauben die geforderte Kosten- und Prozesstransparenz zu realisieren.

Für diese und andere Themenfelder wurden mit Vertretern der Automobil- und Zulieferindustrie, im Rahmen des Forschungsprojekts "Gemeinsam Wettbewerbsfähig - Entwicklungspartnerschaften von Zulieferern und Abnehmern" am Lehrstuhl von Univ.-Prof. Dr. Dr. habil. Wildemann, Lösungsansätze erarbeitet.

Weiterführende Literatur:

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