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Portfolioselektion von F&E-Projekten

[23.09.2009]

Foto: alphaspirit / fotolia.com
Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass eine allein auf Kostensenkung ausgerichtete Rationalisierungsstrategie ebenso wenig erfolgversprechend ist, wie eine einseitige Innovationsoffensive, um Produkte in immer kürzeren Zyklen auf den Markt zu bringen. Es kommt auf einen Mix aus Kostenoptimierung und Steigerung der Marktleistung an, um Wettbewerbspositionen erfolgreich verteidigen und neue Wachstumsfelder belegen zu können. Hierbei kommt der Auswahl von Innovationsprojekten bereits in den frühen Phasen des Innovationsprozesses eine entscheidende Rolle zu. Hierzu wurde am TCW ein EDV-basiertes Bewertungsmodell zur Selektion und Priorisierung von Innovationsprojekten entwickelt, das durch die Schaffung einer erhöhten Transparenz über die Innovationsleistungen einen nachhaltigen Beitrag zur Effektivität und Effizienz des Innovationsmanagements deutscher Industrieunternehmen leistet.

Ausgangssituation zur Erstellung eines Bewertungsmodells für F&E-Projekte

Basis für die Entwicklung des Bewertungsmodells InnoSelect stellt eine empirische Untersuchung der frühen Phasen des Innovations­prozesses bei 47 deutschen Industrie­unternehmen dar. Diese bezog sich insbesondere auf die Phasen der Ideenverfeinerung und Konzeptentwicklung. Die Betrachtungsgegenstände der Untersuchung richteten sich auf die Effektivität des Innovations- und Innovations-portfolio­managements sowie die vorherrschenden Defizite und Restriktionen, mit denen sich die befragten Unternehmen in den frühen Prozessphasen konfrontiert sahen.

Probleme der Selektion von Innovationsprojekten in der Unternehmenspraxis

Die Auswertungen der Untersuchungen ergaben, dass sowohl bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) als auch bei Großunternehmen (GU) die Hauptprobleme in der unzureichenden Informationsgewinnung gesehen werden.


Weiterhin beklagen KMU einen Mangel an geeigneten Bewertungsinstrumenten und den Zeitmangel der Entscheidungsträger. Dies stützt die Vermutung, dass eine „Bauchentscheidung“ bei KMU aufgrund von Ressourcenrestriktionen gegenüber strukturierten Methoden zur Projektselektion vorgezogen wird. Die derzeitig verfügbaren Methoden verursachen bei den KMU einen Bewertungsaufwand, der mit den kapazitativen Mitteln dieser Unternehmen nicht geleistet werden kann. Des Weiteren wurde insbesondere bei den Großunternehmen die Ausrichtung von Innovationsprojekten an kurzfristigen Zielen als Problem bei der Innovationsprojektselektion genannt. Des Weiteren wird von KMU und GU die verfrühte Bewertung der Innovationen anhand monetärer Kriterien als Problem genannt. Dies bedeutet für ein EDV-basiertes Bewertungsmodell, dass qualitative Bewertungskriterien zu Beginn des Innovationsprozesses in den nachfolgenden Prozessphasen durch quantitative Kriterien zu ergänzen sind.

Bewertungsmodell zur Innovations-Portfolio-Selektion

Instrumente zur Selektion von Innovationsportfolios sollen grundsätzlich den Informationsgehalt im Selektionsprozess steigern, indem sie eine frühzeitige Identifikation von nicht realisierbaren Ideen und von Nachbesserungsbedarf ermöglichen. Im Ergebnis wird durch die Innovationsportfolioselektion, insbesondere bei denKMU, die Zusammenstellung eines Multiprojektportfolios angestrebt, welches zum einen die Erhöhung der Kundenorientierung als oberste Zielsetzung, und zum anderen einen optimalen Nutzenbeitrag im Unternehmen ermöglicht. Abweichend von den Zielsetzungen von den KMU streben die Großunternehmen neben der frühzeitigen Identifikation nicht realisierbarer Ideen zudem die Komplexitätsreduktion im Sinne einer strukturierten Verarbeitung der Informationsüberflutung an. Diese resultiert aus der Vielzahl der vorhandenen Innovationsideen. Des Weiteren verfolgen GU eine erhöhte Prozessstabilität im Selektionsprozess zum Zwecke der Standardisierung und Vereinfachung der funktionsübergreifenden Kommunikation.


Die im Rahmen der Untersuchung identifizierten Erkenntnisse ließen sich als Implikationen für die Entwicklung eines EDV-basierten Bewertungsmodells heranziehen. Es hat sich gezeigt, dass die mit der Umsetzung der Innovationsideen verbundene Höhe der Kapitalbindungen sowie die Anzahl der involvierten Mitarbeiterressourcen die Anforderungen an ein Bewertungsmodell zur Innovationsportfolioselektion steigern. Es gilt daher, aus einer Vielzahl von Innovationsideen eine Priorisierung vorzunehmen, um im Ergebnis das „richtige“ Innovationsportfolio im Sinne der Nutzenoptimierung auswählen zu können.

Die Umsetzung des EDV-basierten Bewertungsmodells basiert auf einem dreistufigen Modell.


Im Rahmen der Projektinitiierung erfolgt anhand einer übersichtlichen Projektstruktur mit standardisierten Ideensteckbriefen eine eindeutige Charakterisierung der Innovationsvorhaben. Der Ideensteckbrief ermöglicht die Charakterisierung des Innovationsvorhabens anhand von qualitativen Eingabefeldern zur Darstellung der Problem-, Nutzen- und Lösungswegbeschreibung und weist jedem Vorhaben einen eindeutigen Projektschlüssel zu. Des Weiteren erfolgen eine bedarfsspezifische Typologisierung der Innovationsvorhaben sowie eine erste Bestimmung der zu erreichenden Ziele und der vorherrschenden Umsetzungsrisiken. Das EDV-basierte Bewertungsmodell ermöglicht dabei eine Differenzierung von inkrementellen und radikalen Produkt-, Prozess- und Dienstleistungs-Innovationen.

Das Modul der Ideenbewertung beinhaltet die strategische, technologische und marktseitige Vorbewertung der angelegten Innovationsvorhaben anhand von unternehmensspezifisch konfigurierbaren K.O.-Kriterien sowie eine qualitative Grobbewertung von Einflussgrößen zur Chancen-, Nutzen- und Risikoabschätzung. Die strategische Vorbewertung stellt ein so genanntes Quality Gate dar, in dem die Innovationsvorhaben je nach Ausgang der Bewertung aussortiert, verzögert oder in die nächste Stufe der Konzeptentwicklung geführt werden. Im Bereich der Konzeptentwicklung werden die in der Grobbewertung als positiv beurteilten Ideen unter Verwendung von leistungs- und finanzwirtschaftlichen Kennzahlen quantifiziert. Dabei erfolgt eine stufenweise Erfassung des Konzeptstatus bezüglich der Faktoren Kosten, Zeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit. Zur Ermittlung der Erfolgsträchtigkeit werden die jeweils relevanten Daten durch standardisierte Eingabemasken abgefragt und anhand eines Einscheidungs-Cockpits auf verdichtetem Informationsniveau ausgegeben. Die Entscheidungs-Cockpits beinhalten graphische Auswertungen für die einzelnen Bewertungskriterien der F&E-Projekte und stellen die Basis für das zweite Quality Gate dar. Ideen, die im Rahmen der Konzeptentwicklung die vorab definierten Mindestanforderungen nicht erreicht haben, werden in diesem Schritt aussortiert und werden nicht in die Phase der Nutzenoptimierung des Projektportfolios überführt.

Das Modul der Portfoliooptimierung beinhaltet die Bildung eines nutzenoptimalen Multiprojektportfolios. Unter Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Restriktionen, wird unter Zuhilfenahme einer linearen Optimierungslogik im Rahmen des Operations Research ein Idealportfolio ermittelt, welches unter den gegebenen Rahmenbedingungen aus der Summe der freigegebenen Innovationsideen den maximal erreichbaren Nutzen ermittelt.

Weiterführende Literatur

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