[22.09.2004]
Bei einem weltweit tätigen Unternehmen der Telekommunikationsbranche ist im Laufe mehrerer Jahre die Anzahl der Produkt-Varianten extrem angestiegen. Im Bereich der Flachbaugruppen wurden gleiche Funktionalitäten durch unterschiedliche technische Lösungen realisiert. Nicht selten wurde im Rahmen der Variantenentwicklung ein vermeintlich schlechteres Design entworfen, das zusätzlich höhere Materialkosten verursachte.
Aus der hohen Variantenvielfalt resultiert eine starke Zersplitterung der Umsatzvolumina, die umfassende Design to Cost-Maßnahmen verhinderten. Eine nicht vorhandene Rentabilität für DTC-Maßnahmen verhinderte Redesigns bei umsatzschwächeren Varianten. Dadurch fokussierten sich die Redesign-Tätigkeiten lediglich auf einen geringen Anteil der Varianten, so dass veraltete Versionen unverändert weitergeführt wurden. Eine vollständige Konsolidierung der Flachbaugruppen durch Technologie-Sprünge wurde versäumt, wodurch weitere Varianten entstanden.
Zur Bereinigung der hohen Variantenvielfalt musste aus mehreren innovativen Methoden des Komplexitätsmanagements die geeignete gewählt werden. Die Auswahl orientierte sich an der Ausgangssituation und den gewünschten Ergebnissen. Da zunächst in einem Pilotprojekt die Bereinigung der Historie im Fokus lag, fiel die Wahl auf die Methode Variantenbaum, eine Methode zur Visualisierung der Varianz. Der so genannte ‘Aha‘-Effekt bei der Darstellung der Variantenvielfalt mittels des Variantenbaumes fiel - wie zu erwarten war - groß aus.
Die Bereinigung des Variantenbaumes wurde sowohl anhand technischer Parameter als auch marktrelevanter Anforderungen durchgeführt. Insbesondere die Lösungen der Wettbewerber flossen in die Überlegungen ein. Somit konnten 60% der Varianten gestrichen oder durch andere ersetzt werden.
Ein weiteres Problem stellte die Intransparenz über die Komplexitätskosten über den gesamten Produktlebenszyklus dar. In den Business Cases wurden lediglich die Einmalaufwendungen zur Variantengenerierung abgeschätzt, die weit unter den laufenden Kosten liegen.
Zur Bewertung des Einsparpotenzials aus den generierten Ansätzen wurden Komplexitätskosten im Sinne eines Total cost of ownership-Ansatzes erhoben. Dazu wurden Interviews mit allen betroffenen Bereichen durchgeführt. Als laufende Kosten fallen jährlich Aufwendungen für Pflege und Weiterentwicklung der zu streichenden Varianten an. Als Ergebnis konnten die laufenden Kosten pro Variante identifiziert werden. Es wurde eine Berechnungsgrundlage geschaffen, mit der eine adäquate Bewertung von Neu- und Variantenentwicklungen im Hinblick auf die Erstellung eines Business Cases geschaffen wurde. Somit konnten neben den Kosten für die Entwicklung auch die Kosten pro Variante über den gesamten Produktlebenszyklus ermittelt werden. Diese Erkenntnis ist daher von großem Nutzen, da bei Vertragsabschluss für Produkte bzw. Varianten häufig zu lange Servicezeiten zugesichert werden. Die Erkenntnis wirkt sich zusätzlich auf die Vertragsgestaltung und die damit verbundenen Serviceleistungen aus.
Insbesondere bei Produkten mit langer Lebensdauer und langen vertraglich festgelegten Servicezeiten ist ein frühzeitiges Variantenmanagement zur Reduzierung der Vielfalt von vorne herein notwendig. Aufgrund der oft langfristigen Ergebniswirksamkeit der Variantenreduzierung versäumen es viele Unternehmen diese zeitnah durchzuführen. Aus dieser Problematik ergibt sich die Forderung nach einer zügigen Variantenreduzierung und der Definition von Maßnahmen zu einer kontinuierlichen Variantenbeherrschung bzw. -vermeidung.