[10.10.2006]
Die zunehmende Komplexität und Vielfalt der Kundenanforderungen und der interne Druck zur Reduktion von Entwicklungskosten, Wartungskosten und der Entwicklungsdauer bringen Softwareunternehmen vermehrt in den Zielkonflikt zwischen Standardisierung und Individualisierung.
Software-Produktordnungssysteme stellen einen strukturierten Aufbau eines Produktprogramms dar, durch den das Spannungsfeld zwischen Individualisierung der Softwareprodukte nach außen (zum Markt hin) und Standardisierung nach innen (im Unternehmen) gelöst werden kann. Im Gegensatz zu einer Produktlinie erstrecken sich Software-Produktordnungssysteme mehrdimensional über ein gesamtes Produktprogramm.
Ziel eines modernen Software-Produktordnungssystems ist somit die simultane Verknüpfung von Produktstandardisierung und -individualisierung zur Bestimmung der optimalen Vielfalt in einem Softwareproduktprogramm.
Ausgangspunkt für die Gestaltung eines Software-Produktordnungssystems sind die Kundenanforderungen in Form von Merkmalen und deren Ausprägungen sowie gewünschter Funktionalität. Hierbei werden Funktionen und davon ausgehend Anwendungsbestandteile unterschieden, die spezifisch für eine Produktvariante sind bzw. über mehrere Produktvarianten gemeinsam eingesetzt werden können. Somit lassen sich produktspezifische Softwareartefakte in Komponenten und Modulen zusammenfassen und unspezifische Softwareartefakte in Plattformen integrieren.
Die Verbreitung von Produktordnungssystemen in der Softwareentwicklung ist jedoch noch sehr schwach. Beispiele für Software-Produktordnungssysteme finden sich bisher hauptsächlich in Großunternehmen, z.B. die Plattform syngo bei Siemens Medizintechnik. Dort werden verschiedene Funktionen über unterschiedliche Produktreihen implementiert, wodurch die Wiederverwendung erheblich erhöht und die Entwicklungsaufwände signifikant reduziert werden konnten.
Dennoch fehlen in der Softwarebranche allgemeingültige Vorgehensmodelle und geeignete Methoden, die das Produktmanagement und die Softwareentwicklung befähigen, die geeigneten Funktionen für ein Produktordnungssystem zu identifizieren und in der Produktarchitektur umzusetzen. Entscheidend hierbei ist der gleichzeitige Einsatz von betriebswirtschaftlichen Methoden und von Ansätzen aus dem Software-Engineering.
Eine mögliche Vorgehensweise für Software-Produktordnungssysteme gliedert sich in die Analysephase, die Gestaltungsphase und die Umsetzungsphase.
In der Analysephase werden zunächst das Produktprogramm analysiert und die Kundenanforderungen ermittelt.
In der Gestaltungsphase wird das Produktordnungssystem konfiguriert und ausgestaltet.
Die Umsetzungsphase dient der Einführung oder Restrukturierung des Produktordnungssystems. Dazu müssen Umsetzungsmaßnahmen abgeleitet und organisatorische Veränderungen vollzogen werden. Dabei spielt auch die monetäre Bewertung des Produktordnungssystems eine große Rolle. Insbesondere ist zu analysieren, ob es ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis zwischen der vom Kunden geforderten Funktionalität und der mit ihr verbundenen Kosten für die Entwicklung von Plattformen und Modulen gibt.
Die Lösung des Spannungsfeldes zwischen Standardisierung nach innen und Individualisierung nach außen sowie zwischen Stabilität und Flexibilität wird zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Software-Produktordnungssysteme können diesen Zielkonflikt lösen, da sie den Kundenanforderungen besser gerecht werden und gleichzeitig die Komplexität der Softwareprodukte verringern. Bei der Gestaltung von Software-Produktordnungssystemen werden betriebswirtschaftliche Methoden, die in anderen Industriebranchen bereits seit langem erfolgreich sind, auf Software-Produkte adaptiert. Auf diese Weise können die Wiederverwendung in der Softwareentwicklung erhöht und Entwicklungsaufwände erheblich reduziert werden.