Das Konzept der bilanzexternen Bestandsfinanzierung durch Null-Bestände und Betreibermodelle in der Logistik ermöglicht die Erreichung erheblicher Einsparpotenziale und Leistungssteigerungseffekte.
Die Frage nach „Eigenleistung oder Fremdbezug“ wurde zunächst vorwiegend als strenge Alternativentscheidung angesehen und der strategische Fokus einer langfristigen Optimierung des vertikalen Integrationsgrades weitgehend vernachlässigt. Die wissenschaftliche und praktische Diskussion der Fremdvergabe logistischer Leistungen basierte daher zunächst vornehmlich auf Kostengesichtspunkten. Der Fremdbezug von logistischen Leistungen wurde daher als ein Instrument zur kurzfristigen Kostensenkung angesehen. Folgende Kostenaspekte wurden bei Make-or-Buy Analysen diskutiert: Volumenabhängige Kostensenkungspotenziale, auslastungsinduzierte Kosten- senkungspotenziale, Opportunitätskosten und Lohnkostensenkungspotenziale. In den darauf folgenden Jahren rückten allerdings, begründet zum einen auf steigenden Kundenansprüchen, zum anderen auf sich verbessernden Leistungen der Logistikdienstleister, Leistungsvorteile in den Vordergrund der Make-or-Buy Entscheidung von logistischen Leistungen. Vom Outsourcing unter Kostengesichtspunkten über Null-Bestände-Konzepte zeichnen sich aktuell Entwicklungstendenzen zum Einsatz von Betreibermodellen in der Logistik ab. Die Analyse der Logistikleistungen im Schaubild lässt den Trend zu weiterem Outsourcing klar erkennen.
Die mit der Konzentration auf Kernkompetenzen verbundene Zersplitterung der Wertschöpfungserbringung führt auch in den nächsten Jahren weiterhin zu einem steigenden Anteil an Fremdleistung. Neue Konzepte zur Erhöhung des Zufriedenheitsgrades hinsichtlich der Erstellung der logistischen Leistungen sind hierzu notwendig. Mit Bezug zur bilanzexternen Finanzierung lassen sich zwei Konzepte unterscheiden:
Beim Null-Bestände-Konzept wird das in Beständen gebundene Umlaufvermögen in einer eigens zu diesem Zweck gegründeten Finanzierungsgesellschaft bilanziert. Dies führt beim Auftraggeber zu einer Verkürzung der Bilanz. Die Bestandsverantwortung bleibt beim Auftraggeber durch Umlage der Bestandszinsen.
Eine Erweiterung des Null-Bestände-Konzepts stellen Betreibermodelle dar, bei der eine vollständige Ausgliederung der Logistik inklusive der Bestände erfolgt. Das Konzept des Betreibermodells entstand im Anlagenmanagement von großen produzierenden Industrieunternehmen. Hierbei werden die Finanzierung und der Betrieb der anlagentechnischen Infrastruktur aus dem Unternehmen gelöst und an externe Dritte vergeben. Die dafür gegründete Betreiber- oder Finanzierungsgesellschaft, die Eigentümer der Anlagen ist, kann aus mehreren beteiligten Partnern bestehen. Das Konsortium kann Investoren, Anlagenhersteller, Projektmanager, Finanzdienstleister sowie Betriebsführer enthalten. Die Aufgaben der Betreibergesellschaft reichen von der Planung und Finanzierung der Leistungen und Anlagen über deren Bau und den eigenständigen Betrieb, mit dem die Investition refinanziert wird, bis zur möglichen Übergabe der Anlage an den Auftraggeber am Ende der Vertragslaufzeit. Da die Anlagen vollständig durch die Betreibergesellschaft finanziert werden, sind sie beim Auftraggeber nicht aktivierungspflichtig. Dies führt beim Auftraggeber zu einer Variabilisierung der mit der Leistungserstellung verbundenen fixen Kosten, da der Auftraggeber entweder die Anlagenverfügbarkeit (Pay on Availability) oder den einzelnen Anlagenoutput (Pay on Production) bezahlt. Gründe für die Einführung von Betreibermodellen seitens des Auftraggebers liegen folglich in der verringerten Kapitalbindung sowie der Strategie des kapitalarmen Wachstums unter Berücksichtigung des Shareholder-Value Gedankens. Operative Effekte ergeben sich aus Kosten-, Flexibilitäts- sowie Produktivitätsverbesserungen. Zusätzliche Kostenvorteile können weiterhin bei Produktionsbetrieben bei den Kapitalkosten der Finanzierung sowie bei Löhnen und Gehältern erzielt werden. Weiterhin lassen sich Anlagen durch die Anlagenhersteller, sofern diese federführend beteiligt sind, wesentlich produktiver betreiben.
Betreibermodelle müssen jedoch nicht auf produktionsnahe Investitionsgüter eines Unternehmens beschränkt werden. Zunehmend kommen auch im Supply Chain Management Betreibermodelle im Rahmen des Logistikbetriebs zur Anwendung. Die logistische Handhabung von Materialien, beginnend mit der Beschaffung, über den Transport, die Lagerung, die Kommissionierung und endend mit der Übernahme durch den Abnehmer am Ort des Einsatzes, kombiniert mit der Bereitstellung der hierfür erforderlichen Infrastruktur, bilden das Tätigkeitsfeld derartiger Modelle. Charakterisierendes Merkmal eines Betreibermodells im Rahmen des Supply Chain Managements ist das Herauslösen des logistischen Anlagevermögens eines Unternehmens und dessen Besitzübergang in die Betreibergesellschaft. Das Betreibermodell ist hier folglich ein Konzept, das die Funktionen der logistischen Dienstleistung, Beschaffung und Disposition sowie Finanzierung des logistischen Anlagevermögens zwischen Zulieferer und Verbrauchsort zusammenführt.
Für die Supply Chain können durch die Zusammenführung der Nachfrage von logistischen Leistungen und deren Vergabe an Dritte Vorteile entstehen. Spezialisierte Anbieter übernehmen gebündelte logistische Tätigkeiten der Supply Chain, die wiederum zu deren Kernkompetenzen zählen. Finanzielle Effekte durch die Verlagerung des Risikos im Rahmen der Finanzierung des logistischen Anlagevermögens sind jedoch nicht die einzige Auswirkung des Betreibermodells. Durch den Transfer von Leistungen in die Betreibergesellschaft verändert sich die Allokation der Kompetenzen in der unternehmensübergreifenden Zulieferkette. Auf Seiten der Auftraggeber ist vor allem die Verbesserung der Liquidität durch den reduzierten Finanzbedarf relevant. Hierbei hat die Verringerung des eingesetzten Kapitals für die logistische Infrastruktur positive Auswirkungen auf die Kapitalverzinsung des Anlagevermögens. Weiterhin besteht bei dem in das Betreibermodell eingebrachte Gesamtvermögen kein Konsolidierungszwang in der Bilanz des Abnehmerunternehmens. Dies führt zu einer Verbesserung der Bilanzkennzahlen im Sinne des Shareholder-Value Gedankens.
Die Vorgehensweise zur bilanzexternen Bestandsfinanzierung umfasst die vier Arbeitspakete: Ist-Analyse, Erarbeitung von Strategieoptionen und Bewertung in Strategie-Workshops, Umsetzungsplan sowie Umsetzung und Maßnahmencontrolling.
Zunächst erfolgt im Rahmen der Ist-Analyse die Erfassung der Unternehmenssituation aus betriebswirtschaftlicher und Management-Perspektive. Dazu gehört eine umfangreiche Analyse der relevanten Grunddaten wie Bestandswerte, Verbrauch und Reichweite, Inventar- und Lagerstruktur und Wertzuwachskurven. Zudem empfiehlt sich eine Prozessanalyse der logistischen Kette, der Informationsflüsse sowie der Wertschöpfungsprozesse und ihrer Schnittstellen. Im zweiten Schritt erfolgt die Erarbeitung und Bewertung von Strategieoptionen. Im Rahmen von Strategie-Workshops werden die relevanten Bestands- und Logistikumfänge festgelegt, die für eine bilanzexterne Finanzierung in Frage kommen. Im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsanalysen werden die verschiedenen Optionen bewertet sowie eine Umsetzungsstrategie erarbeitet. In Form eines Business Case wird der Umsetzungsplan für die Einführung der bilanzexternen Bestandsfinanzierung sowie weiterer Logistikleistungen spezifiziert. Konkretisiert wird dieser Business Case durch eine Roadmap mit Umsetzungsinhalten und -zeitpunkten sowie der Definition von Maßnahmen. Im Rahmen der eigentlichen Umsetzung erfolgen die Partnerauswahl, das Financial Engineering, die Vertragsgestaltung sowie die Definition von Prozessen und Schnittstellen. Das Maßnahmencontrolling stellt den Umsetzungserfolg sicher.
Das Konzept der bilanzexternen Bestandsfinanzierung durch Null-Bestände und Betreibermodelle in der Logistik ermöglicht die Erreichung erheblicher Einsparpotenziale und Leistungssteigerungseffekte, die sich in den Kennzahlen der Kapitalkosten, Logistikkosten, Servicegraden, der Anzahl der Lagerorte, dem Flächenbedarf sowie der Höhe der Gesamtbestände darstellen lassen (vgl. Schaubild).