[22.06.2015]
Unter Modularisierung wird die geeignete Gliederung von Leistungen und Komponenten in Modulen verstanden. Durch die Reduzierung der Abhängigkeiten zwischen den Modulen und den Schnittstellenvarianten der Module können Effekte von Standardisierung (nach innen im Unternehmen) bei gleichzeitiger Individualisierung (nach außen zum Kunden hin) realisiert werden.
Die Individualisierung ermöglicht die Abbildung einzelner, komplexer Funktionen in Modulen und die individuelle Gestaltung nach entsprechenden Kundenwünschen. Die Standardisierung im Rahmen der Modularisierung verringert Komplexität und lässt Maßnahmen zur Produktkostensenkung zu. Die Gestaltung von standardisierten Schnittstellen zwischen den Modulen stellt dabei eine wesentliche Voraussetzung zur Komplexitätsreduzierung dar (vgl. Abbildung 1).
Das Dilemma zwischen der nachfragespezifischen Individualisierung und der Vereinheitlichung durch Standardisierung kann folglich durch die Modularisierung von Produktprogrammen, Produkten und Services gelöst werden. Mittels der Modularisierung können Komponenten gemäß den vorhandenen Prämissen variiert werden. Auf diese Weise kann eine hohe Produktvielfalt bei gleichzeitig geringer Varianz in Modulen und Komponenten global angeboten werden. Dies erfolgt, indem auf standardisierte, vordefinierte Module zurückgegriffen wird. Inzwischen sind Modularisierungsansätze insbesondere in der Automobilindustrie auch auf die Produktion ausgeweitet worden. Aufbauend auf modularen Produktbaukästen werden zunehmend auch modulare Produktionsstrukturen entwickelt. Dabei werden Modularisierungsansätze auch auf die verschiedenen Elemente von Produktionssystemen wie Anlagen und Werkzeugen, aber auch Prozessen und Organisationsstrukturen, übertragen. Dabei spielt die Modularisierung der IT im Produktionsumfeld ebenfalls eine wichtige Rolle, um die Effizienz und Anpassungsfähigkeit von Produktionsanlagen zu steigern.
Die Modularisierung der Produktion erlaubt die effiziente und anpassungsfähige Gestaltung von Fabriken, Prozessen sowie Organisationstrukturen, angepasst an die Bedürfnisse der verschiedenen Produkte und der Standorte. Eine Modularisierung in der Produktion lässt die Steigerung des Materialnutzungsgrades zu und reduziert den Einmal- und Anlaufaufwand, die Komplexität sowie die Fertigungszeit. Durch die Modularisierung von IT-Systemen kann die Modularisierung der Produktionsanlagen gefördert werden, um die hohen IT-Kosten in der Produktion künftig besser in den Griff zu bekommen.
Die Modularisierung der IT ist prinzipiell kein neues Paradigma. In der Programmierung werden modulare Architekturen in unterschiedlichen Anwendungsfällen verwirklicht, um mittels der Modularisierung Operationen und Daten zur Ausführung einer abgeschlossenen Aufgabe zu summieren. Diese, in Modulen definierten Operationen und Daten kommunizieren über eindeutig spezifizierte Schnittstellen.
Das Prinzip der Modularisierung wird zusätzlich bei der modularen Systemgestaltung in übergreifenden IT-Systemen (beispielsweise SAP/R3) angewendet. Durch standardisierte Schnittstellen und die Festlegung von abgegrenzten Modulen können IT-Modulbausteine kombiniert werden, um individuelle Kundenanforderungen zu befriedigen.
Es stellt sich die Frage, ob diese Philosophie der Modularisierung auch in IT-Umfängen im Produktionsumfeld gleichermaßen anwendbar ist. Die IT-Modularisierung im Produktionsumfeld ist ein wesentliches Mittel, um die eingesetzten IT-Systeme in der Produktion anpassungs- und wandlungsfähig zu gestalten. Prinzipiell können IT-Systeme in der Produktion in drei allgemeingültige Schichten aufgeteilt werden (vgl. Abbildung 2).
Auf der obersten Ebene, die sogenannte ERP- (Enterprise Ressource Planning) bzw. Unternehmensleitebene, werden die Auftragsdaten, Auftragssequenzen, Produktdaten, produktbezogenen Stücklisten und der Prozessplan als wesentliche Informationen für die Produktion beachtet. Die zweite Ebene, die sogenannte MES- (Manufacturing Execution Systeme) bzw. Fertigungsebene, berücksichtigt die Auftragsverwaltung im Werk, Fein-Sequenzierung, Flusssteuerung, Auftragsdatenbereitstellung, Qualitäts- und Nacharbeitssteuerung sowie das Monitoring und Reporting von produktionsrelevanten Daten.
Die unterste Ebene, die sogenannte Geräte- bzw. Shopfloor- und Anlagenebene, wird für die Feinplanung der Produktion sowie der Maschinenkontrolle zur Erfassung von Maschinendaten benötigt. Im Detail wird auf der Shopfloorebene die Werker- und Anlagenführung, Qualitätsabsicherung, Inbetriebnahme, Identifikation von Teilen sowie die Überwachung und Steuerung von Anlagen durchgeführt. Die Modularisierung der IT-Systeme für die Produktion kann auf allen drei Ebenen erfolgen.
Mit Hilfe der IT-Modularisierung in der Produktion können unternehmenseinheitliche Richtlinien und IT-Bausteine genutzt werden. Auf der Shopfloorebene werden durch die IT-Modularisierung zahlreiche Vorteile erzielt. Indem durch die IT-Modularisierung in der Produktion mechatronische Paare auf der Shopfloorebene definiert werden, können IT-Bausteine direkt auf die entsprechenden Produktionskomponenten (bspw. Ventil, Heber, Drehtisch, Rollenbahn) abgestimmt werden.
Demzufolge wird die technologische Funktion im IT-Baustein von der Produktionskomponente abgekapselt. Dadurch können die IT-Bausteine produktions- und werksübergreifend standardisiert werden. Eine Kostenreduzierung wird erzielt, indem einheitliche Projektstrukturen und Modul-Bausteine mit gleicher Parametrisierung gewährleistet werden. Prinzipiell werden wiederkehrende Programmabläufe durch Modul-Bausteine ersetzt. Somit kann sich der Anlagenbauer in der Produktion auf die anlagenspezifische Parametrisierung konzentrieren und IT-Umfänge prinzipiell vernachlässigen.
Bei der IT-Modularisierung auf der Shopfloorebene hatte ein Automobilhersteller mit der Technik, der prozessualen Verankerung und dem Wissensmanagement drei wesentliche Bereiche zu berücksichtigen:
Im Bereich der Technik wurde die Qualität der Aufbaurichtlinien in der Anlagenmontage sichergestellt, Prüftools wurden bereitgestellt und ein strukturiertes Vorgehen bei der Aufnahme der Anforderungen an die Produktionsanlagen aus IT-Sicht implementiert. Die prozessuale Verankerung erfolgte durch die Etablierung von Qualifikationsmeilensteinen im Produktlebenszyklus, der Definition eines Diagnoseleitfadens zur IT-Implementierung in der Produktion und der finanziellen Verankerung der erforderlichen Hardware bei einer zentralen IT-Instanz.
Im Bereich des Wissensmanagements wurde eine Qualifikationslandkarte über sämtliche Kompetenzen in der Produktion aufgenommen, betroffene Anlagenbauer mit IT-Umfängen von einer zentralen IT-Abteilung zertifiziert, ein Kompetenznetzwerk mit Planung und Instandhaltung implementiert, Fachgruppen zur IT-Modularisierung in der Produktion gegründet und ein Gremium zur Freigabe von IT-Modulen in der Produktion etabliert.
Die Aufnahme des IT-Funktionsumfangs und der Prozesse im Produktionsumfeld erfolgte simultan zur Untersuchung der Anforderungen aus der IT. Mit Hilfe einer Kosten-Nutzen-Bewertung wurden einzelne Modularisierungsansätze in IT-Umfängen auf der Shopfloorebene bewertet. Durch die Umsetzung der IT-Modularisierung an einem Pilotproduktionsstandort wurden die Potenziale in Bezug auf Kosten und Zeit verlässlich ausgeschöpft, sodass die weitere Ausbreitung schrittweise weiter vorangetrieben wird.
Durch die Modularisierung der IT in der Produktion wurde bei einem Automobilhersteller eine signifikante Senkung der IT-Kosten erreicht. Das Unternehmen nutzte auf Shopfloorebene verschiedene IT-Systeme von unterschiedlichen Anbietern und mit ähnlichen Funktionalitäten in sämtlichen Produktionsstandorten. Durch die Umsetzung einer modularen Architektur gemäß dem Modularisierungsgedanken von Produkten und Produktion konnten Kosteneffekte im Durchschnitt von 20 bis 30 % bei der Implementierung von modularisierten IT-Systemen auf Shopfloorebene gehoben werden.
Außerdem konnte durch die Modularisierung eine Erhöhung der Flexibilität sowie eine Reduktion der Anpassungsaufwände um 30 % und der Implementierungszeit um 10 % erreicht werden. Im Zusammenhang mit einer konsequenten Modularisierung angefangen bei den Produkten, dann ausgeweitet auf die Prozesse, Anlagen und Strukturen in der Produktion, stellt die Modularisierung der IT-Systeme im Produktionsumfeld einen weiteren Schritt hin zu effizienten und anpassungsfähigen Unternehmensstrukturen dar. Dadurch können nicht nur Planungs- und Konstruktionsaufwände reduziert sowie Investitionsvolumina für neue oder angepasste Produktionslinien optimiert werden, sondern auch der Betrieb der Anlagen effizienter abgewickelt werden.