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Fit für die Globalisierung? Organisationsstrukturen und Führungskonzepte für den Mittelstand

[28.11.2011]

Foto: MITO images - fotolia.com

Die Globalisierung ist längst beim deutschen Mittelstand angekommen. Die Heimatmärkte sind volumenmäßig nicht mehr ausreichend, um die Wachstums- und Umsatzziele zu erreichen. Der Mittelstand ist mittlerweile mit Volldampf auf dem Gleis der Erschließung der Wachstumsmärkte in den Emerging Markets unterwegs. Das Augenmerk liegt hierbei auf der notwendigen Organisation in den Zielländern. Die Anpassung der Organisation im Heimatland wird dabei jedoch oft sträflich vernachlässigt.

Erfahrungen mit Organisationsstrukturen in Emerging Markets

„Wieso funktioniert die Kommunikation mit Asien so schlecht?“, fragte ein Geschäftsführer eines mittelständischen Anlagenbauers seinen Technikleiter. Die triviale Antwort des Abteilungsleiters: „Unsere Dolmetscherin ist im Urlaub.“ Dies ist ein Beispiel aus der täglichen Praxis zahlreicher Unternehmen. Markt- und Vertriebsstrategien, Produktspezifikationen und Kostenvorteile stehen bei der Eroberung der Zielländer im Vordergrund. Die Menschen, Prozesse und Strukturen im Heimat­land werden oft als „sich selbst organisierende Einheiten“ betrachtet. Das Ergebnis: erhebliche Kostennachteile, verfehlte Umsatzziele und verbrannte Marken in den neuen Märkten.

Organisationsgestaltung im Zielland der Emerging Markets

Das TCW wurde beauftragt, für einen internationalen Anlagenbauer vor dem Hintergrund einer globalen Industrialisierungsstrategie ein Organisationskonzept für das Heimatland zu entwickeln. In den Zielländern wurden Standorte mit umfangreichen Aufgaben und Kompetenzen unter Ein­be­ziehung von lokalen Partnern aufgebaut. Hierdurch entstand Bedarf für weit reichende Lösungen zu Produkten und Prozessen, die eine Vielzahl von Funktionen im Heimatunternehmen betraf. Für die Ausarbeitung der Heimatstrategie wurde eine Vorgehensweise in drei Schritten gewählt.


Abbildung 1: Vorgehensweise für die Ausarbeitung der Heimatstrategie

Masterfrage für die Organisationsgestaltung

Wie bei jedem Organisationsprojekt stand auch hier die Masterfrage für die Organisationsanpassung im Zentrum der Überlegungen: „Was möchte der Kunde und welche Aufgaben sind in der Organisation effektiv und effizient zu verankern?“. Die Kundensicht war in diesem Fall zweigeteilt. Es gab den Endkunden im Markt für den Standort Asien und den „Standort Asien“ als Kunden für den Heimatstützpunkt. Demzufolge wurde in einem ersten Schritt die Organisation im Zielland kunden­orientiert ausgerichtet. Dies war der einfache Part.

Anpassung der Organisationsstruktur im Heimatland

Der zweite Schritt „Anpassung der Organisationsstruktur im Heimatland“ gestaltete sich durchaus schwieriger. Die hiesige Organisation befand sich in einer bequemen Komfortzone aufgrund von Erfolgen aus der Vergangenheit, so dass erst ein Verständnis für die neue Situation bei den Mitarbeitern geschaffen werden musste. Neue Kundenanforderungen vor einem neuen kulturellen Hintergrund sind keine Selbstläufer für die kognitiven Prozesse der Mitarbeiter. Bevor die Prozesse, Strukturen und Schnittstellen im Heimatland neu ausgerichtet wurden, wurden ausgewählte Mitarbeiter mit an den neuen Standort genommen. Anhand eines durchstrukturierten Besuchplans wurden Gespräche mit dortigen „neuen Kollegen“ und „neuen Kunden“ geführt. Vorbereitet auf diese Reise wurden die Mitarbeiter anhand eines „Intercultural Trainings“ und im Vorfeld definierter Gesprächsinhalte. Sowohl bei den neuen Kollegen als auch bei den neuen Kunden fiel diese Vorgehensweise auf sehr fruchtbaren Boden. Deutsche Unternehmen genießen ein sehr hohes Ansehen in den Zielmärkten und das „Meet and Greet“-Vorgehen zeigt die hohe Wertschätzung, die das deutsche Unternehmen seinen neuen Kunden im Zielmarkt entgegenbringt.

Nutzen der Reorganisation höher als deren Kosten

Die Kosten für die Vorbereitung, das Training, den Vor-Ort-Besuch und die Organisationsanpassung waren zu Beginn des Projekts in heftiger Diskussion. Das Verständnis im Management für die Maßnahmen war sehr unterschiedlich. Nach bereits einem halben Jahr waren die Erfolge jedoch klar ersichtlich. Zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte wurde ein Ramp-up eines neuen Standortes im Ausland planmäßig und ohne nennenswerte Komplikationen durchgeführt. Die Produkt- und Prozesskosten konnten sogar unterschritten und der geplante Umsatz übertroffen werden.


Abbildung 2: Kosten für die Vorbereitung, das Training, den Vor-Ort-Besuch und die Organisationsanpassung

Die im dritten Schritt erfolgte Ausgestaltung des Reporting- und Controlling-Systems verlief ebenfalls ohne große Diskussionen. Durch die Kenntnis der Ansprechpartner auf der jeweils anderen Seite konnten Fragen gelöst werden, bevor sie zum Konflikt führten.

Der Nutzen des Projekts für das mittelständische Unternehmen war nicht allein auf die Kosten- und Ergebnisfaktoren beschränkt. Durch die gemeinsame Projektarbeit mit dem TCW verfügte das Unternehmen nun über eine Vorgehensweise, die es ihm erlaubte, die gewonnen Erfahrungen zu skalieren und Schritt für Schritt neue Standorte in den Zielregionen effektiv und effizient aufzubauen.

Weiterführende Literatur

 

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