[29.07.2002]
Wird am Ende eines Forschungs- und Entwicklungsprojekts Bilanz gezogen, so weichen die Ergebnisse und insbesondere der Weg dahin in vielen Fällen drastisch von der ursprünglichen Planung ab. Die Gründe für Planabweichungen sind vielschichtig. Eine wesentliche Ursache sind zum Beispiel späte Änderungen nach Abschluss der Planungsphase. Weitere Gründe sind in Defiziten des Entwicklungsprozesses, in einer unzureichenden Planungsgüte und –genauigkeit sowie in Problemen bei der Umsetzung von Planvorgaben zu sehen.
Eine effiziente Erfolgsmessung kann Abweichungen in einem früheren Stadium sichtbar machen. Der Handlungsspielraum für Korrekturmaßnahmen durch den Projektleiter vergrößert sich durch den Zeitgewinn erheblich. Die Ursachen für auftretende Abweichungen werden transparenter und Gegenmaßnahmen damit effektiver. Umfassender Projekterfolg kann definiert werden als die bestmögliche Erfüllung verschiedener Zielvorgaben in den Kategorien Zeit, Qualität, Kosten und Wirtschaftlichkeit. Jede der vier Erfolgskategorien kann durch geeignete Mess- und Kennzahlensysteme quantitativ erfasst werden. Beurteilungsgrundlage für den Erfolg ist die aktuelle Ausprägung der einzelnen Kennzahlen. Dabei wird als erfolgreich definiert, was dem in der Projektplanung geforderten Maß bezüglich eines spezifischen Erfolgsaspektes entspricht. Um den Erfolg der Entwicklungsarbeit zu ermitteln und positiv zu beeinflussen, stehen die Unternehmen vor dem Problem, aus dem vorliegenden Datenmaterial eine aussagekräftige Situationsdiagnose zu erstellen. Dabei lässt sich oft nicht mehr rekonstruieren, ob aufgetretene Abweichungen vom geplanten Verlauf ihre Ursache in unrealistischen Planungsvorgaben haben oder ob es bei der Umsetzung der Plandaten zu Problemen gekommen ist. Gerade der Ursachenforschung von Abweichungen kommt aber eine entscheidende Bedeutung zu, da hier der Schlüssel zur Verbesserung sowohl der dokumentierten Standard-Entwicklungsprozesse als auch der operativen Entwicklungsabläufe liegt.
Bedeutung und Auswirkungen eines frühzeitig im Entwicklungsprozess einsetzenden Innovationscontrollings sollen am Beispiel eines Unternehmens aus der Automobilindustrie verdeutlicht werden.
Ein führender Hersteller von Bremssystemen entwickelt innovative Lösungen sowohl für den mechanischen Teil des Bremssystems als auch für die elektronische Ansteuerung der Bremsanlage und die Integration von Antiblockier- und Traktionskontrollsystemen.
Die im Unternehmen entwickelten Innovationen werden in der Regel in Anpassungsprojekten für mehrere Kunden bis zur Serienreife entwickelt. In der Vergangenheit wurden die Entwicklungskosten pauschal den verschiedenen parallel bearbeitenden Projekten zugeschlagen. Die Projektsteuerung lag in den Händen von Projektleitern mit langjähriger Unternehmenszugehörigkeit und wurde nach bereichsspezifischen, oft individuellen Ansätzen betrieben.
Durch zunehmenden marktseitigen Kostendruck, verkürzte Innovationszyklen auf Kundenseite und ein starkes unternehmensinternes Wachstum ergab sich das Problem, dass die bisherige Arbeitsweise nicht mehr zu den gewünschten wirtschaftlichen Ergebnissen führte.
Als Voraussetzung für die Optimierung der Entwicklungsabläufe wurde die Schaffung von erhöhter Transparenz durch die Institutionalisierung eines standardisierten Projektcontrollings identifiziert.
Um einen besseren Überblick über die verschiedenen parallelen Entwicklungsprojekte zu bekommen, wurde die Darstellungsform eines Multiprojekt-Cockpits entwickelt, das die verschiedenen Entwicklungsprojekte anhand der aktuellen Ausprägung in vier Erfolgskategorien zeigt. Vorteil der vergleichenden Darstellungsform ist das Erkennen von systematischen Prozessdefiziten. Diese waren, wie man feststellte, bei verschiedenen Projekten an gleicher Stelle aufgetreten.
Die Anwendung des Multiprojekt-Controllings auf mehrere Projekte vom Typ einer kundengetriebenen Produktentwicklung beseitigt gleich mehrere Probleme: Zum einen ersetzt eine projektspezifische Kostenzuordnung die bis dahin üblichen Gesamtbudgets und Kostenumlagen. Dies ist Voraussetzung für eine zeitpunktgenaue Buchung von Mittelabflüssen, z.B. von angefallenen Labor-, Werkzeug- und Personalkosten. Durch den regelmäßigen Vergleich von Soll- und Ist-Kosten wird damit eine zusätzliche Steuerungsgröße verfügbar. Zum anderen können infolge Vergleichs mehrerer Projekte zu Tage getretene Defizite durch gezielte Neugestaltung bzw. Veränderung des Entwicklungsprozesses behoben werden.
Weitere Verbesserungen sind in Zukunft von der nachträglichen Projektbetrachtung in Form eines standardisierten Projektabschlussberichts zu erwarten. Eine elektronische Version des Projektabschlussberichts bietet den Vorteil der Einbindung von Dokumentationen des gesamten Projektverlaufs. Somit werden alle im Projekt erzielten Ergebnisse einschließlich der Resultate der Nachkalkulation in dem elektronischen Dokument hinterlegt. Der Abschlussbericht hat dann zusätzlich die Funktion eine Suchmaske, um zu gewünschten Detailinformationen zu gelangen. Bei vergleichbaren Folgeprojekten kann somit gezielt auf Lösungen in den bereits abgeschlossenen Projekten zurückgegriffen werden.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass in der Unternehmenspraxis derzeit nicht alle Möglichkeiten des F&E-Controllings ausgeschöpft werden. Die Defizite bestehen dabei weniger in der Erfassung von Kennzahlen als vielmehr in einer teilweise unsystematischen und unvollständigen Auswertung. Durch bestehende Interdependenzen zwischen den Erfolgskategorien Zeit, Qualität, Kosten und Wirtschaftlichkeit müssen alle Aspekte zur Projektsteuerung herangezogen werden. Verschiedene Anwender-Zielgruppen (die Adressaten des F&E-Controllings) benötigen unterschiedliche aggregierte Informationen über den Projektstatus. Das F&E-Controlling muss aktuelle, prospektive sowie retrospektive Projektauswertungen ermöglichen, die Projektsteuerung gezielt unterstützen sowie Impulse für die Verbesserung von F&E-Prozessen liefern.
Weiterführende Literatur: