[22.04.2020]
Als weltweit führende Hersteller und Qualitätsführer von Anwendungen aus dem Bereich der Motorsteuerungstechnik konnte das betrachtete Unternehmen die Preise der Zulieferer und die Vorstellungen der eigenen Gewinnmargen in der Vergangenheit an die Kunden weitergeben. Erst in den letzten Jahren führte der steigende Wettbewerbsdruck zu sinkenden Margen und zum Verlust von Marktanteilen. Für das Unternehmen stellte sich daher die Frage einer Einstellung der Produktion verschiedener Komponenten oder der Durchführung intensiver Kostenreduzierungsprogramme. Aus strategischen Gesichtspunkten kam für das betrachtete Unternehmen die Einstellung der Produktion nicht in Frage. Um weiterhin als Komplettanbieter auf dem Markt auftreten zu können wurde daher zusammen mit dem TCW eine Produktklinik für die betroffenen Bereiche ins Leben gerufen. Die Produktklinik ist ein von TCW entwickeltes Konzept und Methodenbaukasten, um Produkte und Prozesse einer systematischen Analyse zu unterziehen. Dabei wurden eigene und Wettbewerbsprodukte demontiert sowie kosten- und nutzenoptimierte Lösungen erarbeitet. Die Produktklinik dient dabei immer als „Keimzelle“ für kontinuierliches Lernen im Unternehmen und konnte auch in diesem Anwendungsfall neben rein konstruktiven Änderungen zu erheblichen Potenzialen im Einkauf führen.
Die Produktklinik gliedert sich in drei Hauptphasen. Zunächst wird in einem Projektleitfaden der Untersuchungsbereich abgegrenzt und es erfolgt eine Ist-Analyse von Produkt und Technologien. Idealerweise wird zur Wertgestaltung für den Kunden ein zusätzliches Modul zur systematischen Ermittlung von Kunden- und Marktanforderungen hinzugefügt. Den Kern der Produktklinik stellt die Phase des Wettbewerbsvergleichs und der Konzepterarbeitung dar. In Workshops mit interdisziplinären Teams werden die eigenen und Wettbewerbsprodukte demontiert, Ideen zur Kostenreduzierung und Produktoptimierung identifiziert sowie Best-Practice-Lösungen mit Zielkostenvorgaben erarbeitet. Schließlich werden die Konzepte bewertet und optimiert. Während der Projektarbeit werden regelmäßig Sofortmaßnahmen abgeleitet, deren Umsetzung durch ein nachhaltiges Maßnahmencontrolling gewährleistet wird. So kam es auch in diesem Projekt dazu, dass die Analyse der Bill of Material in unterschiedlichen Warengruppen teils erhebliche Abweichungen zwischen den mit den Lieferanten vereinbarten und auf dem Markt üblichen Einkaufspreisen aufdeckte. Aufgabe des Projekts wurde es also, die lange Zeit vernachlässigten Potenziale im Einkauf aufzuzeigen und Maßnahmen zur Realisierung der Potenziale zu erarbeiten. Bis heute wurden lohnintensive Produkte kaum in Niedriglohnländern beschafft. Mit Hilfe des Global Footprint Ansatzes konnten in einem ersten Schritt Einkaufspotenziale für die Beschaffung in Niedriglohnländern unter der Berücksichtigung der Total Cost of Ownership identifiziert werden. Im Rahmen der Projektarbeit wurden für die Lieferanten die drei Kernstrategien „Kooperation“, „Konfrontation“ und „Wechsel“ erarbeitet. Bei strategischen Lieferanten sollte eine gemeinschaftliche Betrachtung der Produkte zu einer neuen Kostenstruktur führen. Lieferanten mit hohen Lohnkosten und lohnintensiven Produkten wurden mit Unternehmen aus Niedriglohnländern verglichen. Die umfangreiche TCW Lieferantendatenbank stellte hierfür die Grundlage dar. Bei der Strategie „Konfrontation“ konnten bei Lieferanten bereits während der Analysephase Quick Wins erzielt werden. Zum einen wurden über die Global Footprint Analyse potenzielle Lieferanten aus Niedriglohnländern identifiziert, zum anderen wurden die Produktkosten über Kostenkalkulationen nachkalkuliert.
Im Rahmen des Projekts konnten auf Einzelteilebene über 60 % Einsparpotenzial aufgedeckt werden. Konkret wurde am Beispiel einer eingekauften MicroSD Karte ein Soforteinsparpotenzial von über 80.000 Euro kurzfristig realisiert. Über die Gesamtheit der betrachteten Commodity Gruppen konnten im Durchschnitt 11,5 % Kosteneinsparungen umgesetzt werden. Zur Realisierung der Potenziale wurde eine Strategie entwickelt, die nicht zwangsläufig zu einem Lieferantenwechsel führte und dadurch der Qualifizierungsaufwand gering gehalten wurde.