Schutz vor Produktpiraterie
[07.12.2006]
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Durch den globalen Wettbewerb und die Liberalisierung des Handels
hat Produktpiraterie einen neuen Höchstwert erreicht. Aktuellen
Schätzungen zufolge liegt der Schaden, den diese Form der
Wirtschaftskriminalität verursacht, bei circa 9 % des
Welthandelsvolumens. Vier hier vorgestellte Strategien bieten den
Unternehmen umfassende Schutzmechanismen gegen Produktpiraterie.
Produktpiraten profitieren von den Leistungen der
Originalhersteller. Sie nutzen die Vorleistungen, die diese zum
Beispiel in den Bereichen Forschung, Entwicklung oder bei der
Markterschließung erbracht haben, sowie das Markenimage, das
Originalhersteller über Jahre aufgebaut haben.
Aufgrund der oftmals sehr hohen Margen nimmt das Ausmaß der Produktpiraterie
weiter zu und beschränkt sich nicht mehr nur auf einfache
Markenpiraterie in der Textilbranche oder bei einfachen Ersatzteilen,
sondern greift verstärkt auf den Investitionsgüterbereich und auf
Hightech Produkte über.
In manchen Branchen werden durch den Verkauf von Piraterieware bereits jetzt höhere Gewinne als im Drogenhandel
erzielt. Die betroffenen Unternehmen selbst können oftmals alleine der
Bedrohung nicht mehr Herr werden und fordern die Ergreifung von
Gegenmaßnahmen durch Unternehmen, Politik, Verbände und Wissenschaft.
Derzeit
sind die meisten Unternehmen lediglich im Bereich der juristischen
Maßnahmen aktiv. Andere Methoden des Produktschutzes wie technischer
Kopierschutz, Kooperationspartnerschaften oder betriebswirtschaftliche
Schutzmechanismen finden in Unternehmen derzeit nur ungenügende
Beachtung oder Anwendung.
Bei der Auswahl der geeigneten integrativen Schutzmechanismen
sind spezifische Vorgehensweisen zu beachten und
unternehmensspezifische Konzepte zu entwickeln. Nach einer Abschätzung
von Potenzialen und der Risikostruktur der einzelnen Produkte oder
Teile helfen Normstrategien dabei, einen integrativen Ansatz
verschiedener Schutzmechanismen unternehmensspezifisch zu entwickeln.
Es sind folgende Normstrategien zu unterscheiden:
- Verhindern
Verhindern
bedeutet die Produkte, Prozesse oder Technologien so zu gestalten, dass
ein Nachbau durch Produktpiraten abgewendet oder zumindest erschwert
wird. Sie sollen daran gehindert werden, die Produkte mit gleicher
Effizienz, ähnlichen Skaleneffekten oder vergleichbarer Qualität
nachbauen zu können. Methoden des Verhinderns sind zum Beispiel die Black-Box-Bauweise, bei der technische Feinheiten nur schwer kopiert werden können. Auch die Beschleunigung des Entwicklungszyklus, die den Verlust der Innovationsführerschaft verhindert sichert somit weiter die Vorreiterstellung des Unternehmens. - Steuern
Durch das aktive Steuern
kann Produktpiraterie eingedämmt werden. Diese Strategie kann
beispielsweise gewählt werden, wenn andere Strategieformen die
Produktpiraterie nicht vollständig verhindern können. Steuern zielt
darauf ab, die Attraktivität der Nachahmung so weit wie möglich zu reduzieren. Eine Methode des Steuerns kann zum Beispiel die Preisstrategie
sein. Dabei kann die Marge bei verschiedenen, leicht zu imitierenden
Produkten reduziert und somit die Attraktivität für Produktpiraterie
gesenkt werden. Eine weitere Art des Steuerns ist die Vergabe von Lizenzen
zur Vermarktung der Originalprodukte. Durch den Vertrieb der Produkte
über mehrere Lizenznehmer werden Markt- und Kundensegmente derart
abgeschöpft, dass ein Markteintritt für Produktpiraten unattraktiv wird. - Kontrollieren
Kontrollieren ist das Identifizieren von Piraterieware
und deren Herkunft sowie die Abschreckung der Produktpiraten innerhalb
der gesamten Wertschöpfungs- und Vertriebskette. Eine Methode des
Kontrollierens ist die Unikatkennzeichnung der Produkte. Neuere Verfahren dafür sind technische RFID ("Radio Frequency Identification") - Lösungen.
Sie ermöglichen dem Unternehmen selbst die Aufklärungsrate zu steigern,
indem nicht nur im After-Sales-Geschäft die Echtheit der Teile
überprüft werden kann. Durch die eindeutige Kennzeichnung der Produkte
und ihrer Komponenten können zukünftig Ferndiagnosen erstellt werden.
Somit kann der Originalhersteller erkennen, welche Bauteile nicht von
ihm bezogen wurden und sich gegen mögliche Schadensersatzansprüche oder
Regressforderungen erwehren. - Verfolgen
Verfolgen bezeichnet die Rechtsdurchsetzung und die Bekämpfung von Produktpiraterie mit juristischen Mitteln durch strategiekonformes Schutzrechtsmanagement und eine geeignete Vertragsgestaltung. Eine Methode, die diese Strategie unterstützt, ist das Patentsrechtsmanagement.
Bei der Durchführung eines Patentsrechtsmanagement werden Patente
gezielt eingesetzt, um erstens Produktpiraten abzuschrecken und
zweitens durch die Vermarktung der Patentrechte diese gezielt zur
Steigerung des Unternehmenserfolges einzusetzen.
Im
Kampf gegen Produktpiraterie bieten die Normstrategien die Grundlage
für einen umfassenden Schutz. Sie sind funktionsübergreifend und
beinhalten Methoden aus den unterschiedlichsten Disziplinen und
Funktionen. Sie umfassen Methoden der Beschaffung, Forschung und
Entwicklung, Produktion und Marketing bis hin zu juristischen
Vorgehensweisen. Der Einsatz der Schutzstrategien ist abhängig von
branchen- und produktspezifischen Einflussgrößen, wie zum Beispiel dem
Wettbewerb, der Komplexität oder dem Produktlebenszyklus. Gerade in
kleinen und mittelständischen Unternehmen ist ein ausgewogener
Strategiemix zu erarbeiten, der alle Handlungsfelder im Kampf gegen
Produktpiraterie mit einbezieht und dennoch die Möglichkeiten des
Unternehmens nicht übersteigt.
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