[29.08.2003]
Was zum Zeitpunkt der Lieferantennominierung noch wie ein erfolgreich konzipierter und verhandelter Entwicklungsumfang aussieht, kann sich schnell zu einer Misserfolgs-Story entwickeln. Dabei sind dem OEM keine gravierenden Fehler unterlaufen. Der vielversprechende Auswahlprozess der konkurrierenden Entwicklungslieferanten führte zu der Nominierung des kostengünstigsten Lieferanten, der auch in den Kategorien Logistikleistung, F&E-Kompetenz sowie Fertigungs-Know-how sehr gute Evaluierungsergebnisse nachweisen konnte. Einige Monate nach der Nominierung musste der Zulieferer Insolvenz anmelden. Das Entwicklungsprojekt wurde neu ausgeschrieben und an einen in dem Produktfeld renommierten Entwicklungslieferanten übertragen. Dieser stellte fest, dass die technischen Vorgaben mit dem Konzept des insolventen Lieferanten nicht zu realisieren waren. Mehrere umfangreiche Änderungsschleifen führten zwar zur Lösung der technischen Probleme, aber auch zu einer drastischen Überschreitung der Target Costs der Baugruppen. Hinzu kam, dass der Umfang der Zielkostenüberscheitung erst kurz vor Serienanlauf offensichtlich wurde. Der Gestaltungsspielraum hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits stark eingeengt, so dass viele bekannte Methoden nicht mehr angewandt werden konnten.
Um die Schieflage der Kosten wieder zu korrigieren, initiierte der Bereich Beschaffung des OEM ein Projekt, in dem die Methodik der Produktklinik für Zukaufteile Anwendung fand. Kernpunkte des Vorgehens war zum einen die wertanalytische Betrachtung von Wettbewerbsprodukten mit dem Ziel des Know-how Aufbaus. Dieses war von besonderer Bedeutung für die Generierung von Ansatzpunkten zur Kostensenkung in Zusammenarbeit mit dem Lieferanten. Zum anderen wurden im Rahmen von Lieferantenworkshops weitere Ideen von Seiten des Lieferanten aufgenommen und diese zusammen mit den eigenen Ideen auf Umsetzbarkeit hin überprüft. Im zweiten Schritt erfolgte die Definition notwendiger Maßnahmen zur Kalkulation der Wirtschaftlichkeit aufgenommenen Ansatzpunkte.
Über die große Zahl von Ansatzpunkten konnten kurzfristig Kosteneinsparungen in Höhe von 8% identifiziert und mit Maßnahmen hinterlegt werden. Bereits vier Wochen nach dem gemeinsamen Workshop hat sich der Lieferant ohne zusätzliche Nachverhandlungen zu der Kostensenkung verpflichtet. Weitere 14% Einsparungen wurden als mittelfristiges Potenzial ausgewiesen, die spätestens mit dem nächsten Facelift realisiert werden können. Weitere Resultate entstehen aus der Einführung eines Produktordnungssystems für Fahrzeugkomponenten. Durch Umsetzung der Leitlinie „Standardisierung nach innen und Individualisierung nach außen" wird eine systematische Verwendung von Gleichteilen und Carry-over-Parts forciert. Aus dem Produktordnungssystem ergeben sich weitreichende Effekte zur Senkung der Komplexität und der Anzahl verwendeter Bauteile bei gleichzeitiger Beibehaltung oder Steigerung der Variantenzahl gegenüber dem Kunden.
Die zu überwindenden Hürden im Projekt bestanden zum einen aus der internen Knappheit der Mitarbeiter-Ressourcen, die sich insbesondere kurz vor dem Serienanlauf weiter zuspitzte. Durch die effiziente und strukturierte Vorgehensweise wurde eine ressourcenschonende Zielerreichung gewährleistet. Zum anderen bestanden kommunikative Probleme zwischen den Bereichen F&E und Beschaffung, die durch gemeinsame Workshops beseitigt wurden. Der Entwicklungslieferant konnte im Laufe des Projekts davon überzeugt werden, dass die Methodik nicht auf eine Reduzierung seiner Marge zielte sondern auf die Verbesserung seiner Kostensituation.