[29.06.2005]
Automobilzulieferer müssen der global ausgerichteten Markenstrategie und Standortstrategie der Abnehmer produktions- und beschaffungsseitig nach der Maxime "Produce and buy where it´s best" folgen. Ausgangspunkt für die Optimierung der Global-Sourcing-Strategie ist die gemeinsame Optimierung der weltweiten Standortstrategie, der sog. Footprints, und eine Bündelung von Beschaffungsaktivitäten.
Weltweiter Wettbewerb und sinkende Absatzzahlen zwingen immer mehr OEMs der Automobilindustrie ihre Kostensituation zu überdenken, um weiter wettbewerbsfähig in den globalen Märkten agieren zu können. Für die Automobilhersteller betragen die Materialkostenanteile 70 % und mehr, für die Automobilzulieferer meist deutlich über 50 %.
Wie eine Welle rollen Lieferantenprogramme wie PICOS (GM), KVP2 (VW), Drive for Leadership (Ford), POZ (BMW), TANDEM (Daimler-Benz) und POLE (Porsche) über Deutschland hinweg, mit denen die Automobilhersteller (OEM) versuchen ihre Kostenposition auf Seiten der Beschaffung weiter zu verbessern, um im globalen Wettbewerb mit Autoanbietern aus Asien mithalten zu können. Die Ziele sind übergreifend ähnlich. Angestrebt wird eine Optimierung der weltweiten Sourcing-Strategie zusammen mit Key-Lieferanten.
Auch in anderen Branchen wie in der Flugzeugindustrie, Computerbranche oder der chemischen Industrie ist die Situation ähnlich. Mit zunehmenden Materialkosten, dem zunehmenden Kostendruck auf globalen Märkten und dem Konzentrationsprozess auf Abnehmer- und Zulieferseite wird die Ausschöpfung von Einkaufspotenzialen zum bedeutsamsten Hebel zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens.
Schon immer wurden bei den großen Automobilherstellern regelmäßig Programme aufgelegt, um gemeinsam mit den Lieferanten Kosten zu senken. Verschärft durch die Globalisierung stellt die Optimierung der Global-Sourcing-Strategie einen Dauerbrenner in der Diskussion zwischen Abnehmer und Zulieferer dar. Ziel ist es dabei, auf Basis einer durchgängigen Gesamtkostenbetrachtung über die komplette Leistungskette von Abnehmer und Lieferant die gesamte Supply Chain (Wertschöpfungskette) zwischen Abnehmer und Lieferant in die Optimierungsaktivitäten mit einzubeziehen.
Ein effektives SCM hilft dabei entscheidend bei der Zielerreichung. Supply Chain Management verfolgt dabei das Ziel, mit Hilfe einer prozessualen Integration der gesamten informatorischen und physischen Austauschprozesse entlang der Wertschöpfungskette partnerschaftlich Wettbewerbsvorteile für alle Beteiligten zu realisieren.
Im Gegensatz zu den bekannten Programmen wie PICOS (GM), KVP2 (VW), Drive for Leadership (Ford), POZ (BMW), TANDEM (Daimler-Benz) oder POLE (Porsche), die eine partnerschaftliche Neuausrichtung der Abnehmer-Lieferanten-Beziehung anstrebten, gehen erste Hersteller den Weg, die Produktionsmöglichkeiten ihrer Lieferanten sukzessive zu untersuchen und eine Angleichung der Marken- und Standortstrategien mit den Produktions- und Versorgungsstrategien des Lieferanten zu erzielen. "Produce and buy where it´s best" ist dabei die Zauberformel. Und hierbei geht es nicht nur um eine Verschärfung des bekannten China-Sourcing. Nein, vielmehr geht es um die laufende Überprüfung der Kosten treibenden Produktbestandteile und die Optimierung der Fertigungsstrategie auf Automobilhersteller- und Zulieferseite. Erfolgreiche Unternehmen realisieren durch die laufende Überprüfung und Verlagerung ihrer Warenströme erhebliche Einsparpotenziale. Die Methoden und eine erprobte Vorgehensweise sollen im Folgenden vorgestellt werden.
Die Optimierung der Beschaffungsstrategie stellt hohe Anforderungen an die Systematik der Vorgehensweise, an die Bewertung alternativer Optionen sowie die Realisierung. Für die Einführung ist eine fundierte Analyse der Ausgangssituation unerlässlich. Kernelement hierfür ist eine Überprüfung der Produktionsstrategie auf Produkt- und Komponentenebene, um eine optimale Sourcing-Strategie zu gewährleisten. Ebenso beruht der Optimierungsansatz für die Global-Sourcing-Strategie auf einer systematischen Analyse der bestehenden Versorgungssituation in Verbindung mit einer Produktkostenkalkulation und strukturiert durchgeführten Lieferantenworkshops. Die Durchführung von Lieferantenworkshops dient der Umsetzung der definierten Beschaffungsstrategie und hat sich in vielen Projekten bewährt.
Im Zuge der Analyse der Ausgangssituation müssen in einem ersten Schritt die Lieferanten Footprints auf Komponentenebene identifiziert werden. Die bestehenden Produktionsstandorte der Lieferanten werden anschließend mit den Faktorkosten für Arbeit, Logistik und Energie bewertet. In einem zweiten Schritt werden die Komponenten des betrachteten Produktes bottom-up kalkuliert. Auf diese Weise können Potenzialwirkungen von Global-Sourcing Maßnahmen bewertet werden.
Die Ergebnisse beider Schritte müssen gegenübergestellt werden. Hierfür eigenen sich zum Bespiel die bekannten Portfoliodarstellungen. Die Ergebnisse der Analyse stellen also den Input für die Diskussion in Lieferantenworkshops dar. Im Portfolioansatz können die Evaluierung von Optimierungsmaßnahmen auf die aktuellen Produktkosten mit den Potenzialwirkungen aus einer Verlagerung der Produktion an einen alternativen Lieferantenstandort dargestellt werden. Dadurch können einzelne Ideen und Maßnahmen dezidiert und nachvollziehbar mit Lieferanten durchgesprochen und bewertet werden. Dies erhöht die Transparenz und erlaubt eine partnerschaftliche Diskussion um Verbesserungsmaßnahmen.
In einer Fallstudie wurde besagte Vorgehensweise erprobt. In zwei Pilot-Workshops mit strategischen Lieferanten wurde die Produktstruktur der einzelnen Produktkomponenten eines Fahrzeuges untersucht und gemeinsam mit den Automobilzulieferern konkrete Sourcing- bzw. Fertigungsmaßnahmen definiert. Diese wurden anschließend mit der Standortstrategie von Lieferant und Hersteller sowie mit Hilfe der Kostenstrukturen bewertet.
Bestehend auf den kalkulierten Kostenstrukturen und den aktuellen Fertigungsstandorten konnte auf diese Weise ein Potenzial in Höhe von 10% aufgezeigt werden. Nicht alle gemeinsam identifizierten Maßnahmen konnten umgesetzt werden und mussten zum Teil verworfen werden. Andere befinden sich gerade in der Umsetzung. Die beteiligten Unternehmen rechnen mit einer Einsparung von 8%.