[05.11.2009]
Der europäische Nutzfahrzeughersteller verkauft seine Produkte auf dem gesamten Weltmarkt. Die Produktionsstätten liegen sowohl in Europa als auch auf anderen Kontinenten, so dass die Expertise für den Aufbau von lokalen Standorten vorhanden ist.
Für den Wachstumsmarkt Indien ist der Aufbau einer lokalen Fertigungs- und Montagestätte im Nutzfahrzeugbereich geplant. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die indischen Wettbewerber mit preislich äußerst attraktiven Fahrzeugen den Markt dominieren. Das Kostenniveau in Indien erlaubt naturgemäß vor allem auf der Lohnseite, aber auch bei den Maschinenkosten eine Unterschreitung des europäischen Kostenniveaus und des übrigen asiatischen Niveaus – sieht man von China ab.
Der Erfolg in Indien wird sehr stark davon abhängen, dass eine wettbewerbs- und kundenadäquate Produktgestaltung realisiert wird. Dazu sind Zielkosten erforderlich, die als Top-down-Werte den Marktanspruch widerspiegeln und als Bottom-Up-Werte das technisch Machbare vor dem Hintergrund der kostenoptimierten Fertigung und Montage umreißen.
Die Unterstützung durch das TCW umfasste hierbei die Ermittlung der Bottom-Up-Zielkosten und deren Gegenüberstellung mit den Top-Down-Zielkosten. Vor dem Hintergrund der aktuell stark steigenden Rohmaterialpreise war zudem der Einfluss daraus zu berücksichtigen und darzustellen. Darüber hinaus wurden in der Zusammenarbeit mit cross-funktional besetzten Teams Maßnahmen definiert und bewertet, um die gesetzten Ziele zu erreichen.
Das für Indien konzipierte Fahrzeug setzt sich aus mehreren verfügbaren Plattformen zusammen. Als Basis fungiert ein von der Gewichtsklasse her adäquates Fahrzeug. Da jedoch gerade der indische Markt durch vergleichsweise schlechte Straßenverhältnisse gekennzeichnet ist und außerdem Lkws häufig überladen werden, muss die Weiterentwicklung eines bestehenden Nutzfahrzeugs in derselben Gewichtsklasse zwangsweise scheitern, wenn nicht die betroffenen Komponenten auf ihre stärkere Belastung in Indien ausgelegt sind. Deshalb sind Fahrwerkskomponenten und der Rahmen von einem Lkw einer höheren Baureihe entlehnt und sie werden zudem noch weiter entwickelt.
Der sehr frühe Entwicklungsstand in dem Projekt bedeutete, dass der technische Reifegrad des Produkts noch sehr gering war. Dies führte dazu, dass die verfügbaren technischen Spezifikationen und Zeichnungen keine gesamthafte und vollständige Beschreibung des Fahrzeugs ermöglichten. Die enge Abstimmung mit der Entwicklung war deshalb von großer Bedeutung. Die Herausforderung in diesem Projekt bestand auch darin, dass Kenntnisse aus dem indischen Markt in die Ermittlung der Zielkosten eingehen mussten.
Das TCW verfügt durch Studien und Projekterfahrung mittlerweile über Standortinformationen für alle wirtschaftlich bedeutenden Märkte. Indien mit seinen charakteristisch niedrigen Lohnstundensätzen weist auf dem Maschinen- und Anlagensektor sehr unterschiedlich ausgeprägte Technologieniveaus und Automatisierungsgrade auf. Genau diese Parameter werden durch die TCW-Kalkulationsmethode berücksichtigt. Weitere Stellgrößen waren das indische Niveau für die Maschinenstundensätze, die Rohmaterialpreise sowie der Einfluss durch Skaleneffekte.
In der ersten Projektphase wurden durch das TCW die vorhandenen Stücklisten und technischen Spezifikationen analysiert und konsolidiert. Dies war erforderlich, um die verwendeten technischen Plattformen, sprich die unterschiedlichen Fahrzeuge, die als Ausgangsbasis dienen, zu berücksichtigen. Gleichzeitig wurde – gemeinsam mit R&D – eine Zuordnung getroffen, welche Teile als „Carry-over-Parts“ eins-zu-eins übernommen werden können, welche modifiziert und welche neu entwickelt werden müssen.
Der nächste Schritt war gekennzeichnet durch die Ermittlung der Kosten für die einzelnen Komponenten. Aufgrund der Tatsache, dass das neue Fahrzeugkonzept auf bestehenden aufbaut, waren die Kosten im Ursprungsland bekannt. Das hatte zur Folge, dass es nur für vorab festgelegte Teile (modifizierte oder neu zu entwickelnde) erforderlich war, Fertigungs- und Montageschritte näher zu analysieren und zu bewerten. Für das Gros der Umfänge konnten die Ausgangskosten des Ursprungslands verwendet werden, um den Transfer nach Indien zu kalkulieren.
Der dritte Schritt umfasste die Vorbereitung zur Abstimmung der Bottom-Up-Kosten mit den Top-down-Kosten. Dazu wurden Komponentengruppen gebildet, die jede für sich einen Teilebereich des Fahrzeugs abdecken, der auch einzeln als Kaufteilumfang angefragt werden kann. Damit war die Vergleichbarkeit mit den Anfragen sowie den vorhandenen Angeboten gewährleistet. Im Abstimmungs-Workshop wurden schließlich die Top-down-Kosten den Bottom-Up-Kosten sowie den vorhandenen Angeboten oder Vorabinformationen im Einkauf gegenübergestellt. Somit konnten aus der Diskussion verbindliche Zielkosten abgeleitet und festgelegt sowie eine Ist-Erwartung (primär durch die Informationen des Einkaufs gestützt) abgegeben werden.
Die Abweichung zwischen festgelegten Zielkosten und der Ist-Erwartung wurde in einem weiteren Projektschritt bearbeitet. Hier wurden Maßnahmen zur Kostenreduzierung und Zielerreichung entwickelt. Die intensive Diskussion wurde vor dem Hintergrund der technischen Realisierbarkeit und der Akzeptanz durch die indischen Kunden geführt.
Das Projektergebnis umfasst Bottom-Up-Zielkosten für das Kalkulationsmodell einer Nutzfahrzeugbaureihe, die am Standort Indien gefertigt und montiert werden wird. Die errechneten Werte waren die Voraussetzung, um verbindliche Targets festzulegen, die durch den Abgleich mit den aus dem erzielbaren Marktpreis abgeleiteten Top-Down-Kosten entstanden sind. Darüber hinaus wurde die Kalkulationsmethode so aufgebaut, dass eine Berücksichtigung der Rohmaterialpreisentwicklung erfolgen kann.