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Ändern sich die Kernkompetenzen im Unternehmen in der Globalisierung?

[20.12.2010]

Foto: yoshitaka / fotolia.com

Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Wildemann im Internerview

Mit dem stetigen Trend hin zur Globalisierung stehen Unternehmen zunehmend vor der Herausforderung, ihre Kernkompetenzen richtig zu definieren und ihre Unternehmensprofile zu schärfen. Im Interview beantwortet Professor Wildemann einige der dabei auftretenden Kernfragen, die auf dem 18. Münchner Management Kolloquium am 15. und 16. März 2011 in München weiter diskutiert werden.

1. Wie müssen/sollten sich die Kernkompetenzen von Unternehmen mit Hinblick auf die Globalisierung verändern?

Um sich am internationalen Markt behaupten zu können, müssen Unternehmen fähig sein, Standorte mit günstigeren Kostenstrukturen oder einer höheren Nähe zum Absatzmarkt optimal in den Wertschöpfungsprozess eingliedern zu können. Für die Fertigung etwa in China ist eine Kompetenz für die Kooperationsfähigkeit mit lokalen Unternehmen aufzubauen.

Dabei sollten die Unternehmen lernen, ihre Kernkompetenzen standortabhängig zu definieren. Gilt es, Kompetenzen wie Qualität an allen Standorten auszubauen, so müssen andere Kompetenzen wie die Innovationsleistung gezielt Standorten zugewiesen werden. Entsprechend der modularen Organisation sollte dabei die Kompetenz zur Definition von zentralen und dezentralen Einheiten zu einer Schlüsselkompetenz ausgebaut werden.

2. Sollten auch KMUs ins Ausland ziehen bzw. ihre Produktion auslagern?

Der Standort Deutschland wird sich auch künftig als hoch technologisch, innovativ und effektiv am Weltmarkt behaupten können. Für eine Vielzahl von kleinen und mittelständischen Spezialunternehmen kann eine Verlagerung ins Ausland langfristig damit sogar nachteilig sein. KMUs sollten sich aber nicht die Chancen im Ausland verschließen. Unsere Forschung und Beratungspraxis weist etwa bei der durch viele KMUs geprägten Branche der regenerativen Energien ein hohes Potenzial in Entwicklungsländern wie Indien aus. Ein weiteres, wichtiges Entscheidungskriterium in diesem Zusammenhang ist, die Wichtigkeit der Nähe zum Absatzmarkt und der rechtlich oder vom Kunden geforderte Grad des Local Content. Um die Entscheidung der Verlagerung gründlich vorzubereiten, bedarf es einer erprobten Vorgehensweise und guter Erfahrungswerte.

3. Welche Rolle wird der Heimatstandort künftig spielen?

Unternehmen brauchen auch künftig eine Heimat, da diese wie auch schon heute stark Image-prägend sein wird und für die Innovationskraft und Kultur eines Unternehmens steht. Der Konsument orientiert sich stark an diesen Werten und der Ort der Produktion gerät in der immer stärker vernetzten Welt in den Hintergrund. Der Heimatstandort spricht ein Qualitätssiegel aus, das er unabhängig von der Produktionsstätte einhalten muss.

4. Werden Herstellerfirmen und Standorte bald austauschbar sein?

In Bezug auf standardisierte Produkte wird sicherlich die Austauschbarkeit zunehmen. Dennoch wird jeder Standort auch in Zukunft durch eine Vielzahl individueller Parameter charakterisiert sein, die eine Substituierbarkeit unmöglich machen. Denken sie nur an das Humankapital! Jeder Standort kann nur so gut sein wie seine Mitarbeiter. Das Bildungsniveau schwankt regionsspezifisch stark und auch die unterschiedlichen Kulturen der Welt weisen jeweils ihre Stärken und Schwächen auf. Austauschbarkeit von Herstellerfirmen und Standorten hängen somit stark von Faktoren wie Local Content, Konzernstrategie, Anforderungsprofilen, Kosten oder Image ab.

5. Ist Diversifikation heutzutage prinzipiell schlecht?

Betrachtet man den steigenden Trend hin zu mehr Nachhaltigkeit, so ist es von hoher Wichtigkeit, risikoabgesicherte Langfristentwicklung zu verfolgen. Eine Möglichkeit hierzu ist die Diversifikation, da die Konjunkturschwankungen einzelner Märkte abgefedert werden. Vor lauter Diversifikation muss aber darauf geachtet werden, dass nicht zu viele Türen geöffnet werden. Entscheidet sich ein Unternehmen für die Bearbeitung eines neuen/weiteren Marktsegmentes, so ist von großer Bedeutung, auch hohe Fachkompetenz in diesem Unternehmenssegment aufzubauen.

Der Weltmarkt ist mittlerweile so transparent, dass die Abnehmer nahezu in jedem Segment auf einen Spezialisten zurückgreifen können. Diversifikation ist deshalb erst dann ratsam, wenn man mit diesen Spezialisten in den direkten Wettbewerb eintreten kann.

6. Welche Konzerne schaffen es, ihre Industrieangebote mit Dienstleistungen zu einer neuen Art der Kernkompetenz zu kombinieren?

Mit dieser Art der Kernkompetenzerweiterung sind vor allem Produzenten von Investitionsgütern bzw. Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau erfolgreich, da hier Kaufentscheidungen viel bewusster und die Nutzungsdauer deutlich länger sind als bei Konsumgütern.

Der Schlüssel zum Erfolg ist dabei das Angebot von hybriden Leistungsbündeln, bei denen das Primärprodukt untrennbar mit den immateriellen Leistungsbestandteilen verknüpft ist. Aufgrund der hohen Individualität der Dienstleistung wird die Gesamtleistung des Unternehmens somit nahezu unnachahmbar und stellt damit eine eindeutige Differenzierung zum Wettbewerb dar. Kundenwünsche können individuell befriedigt und eine langfristige Kundenbindung erreicht werden.

Die Heidelberger Druckmaschinen AG setzt diese Kernkompetenzerweiterung sehr erfolgreich um. Beginnend mit einer individuellen Beratung und einer spezifischen Konfiguration der Druckmaschinen bietet das Unternehmen seinen Kunden auch unterschiedliche Leistungsbündel wie Finanzierungskonzepte bis hin zum Betreibermodell an. Des Weiteren umfasst das Serviceangebot während des Betriebes auch eine Fernwartung und ein Condition-Monitoring. Beim Condition-Monitoring handelt es sich um die Zustandsüberwachung von Bauteilen und Komponenten, um bereits präventiv Bauteile austauschen zu können und damit potenzielle Stillstandszeiten der Anlage deutlich zu reduzieren.

Weiterführende Literatur

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