[20.12.2007]
Bei dem betrachteten Unternehmen handelt es sich um einen Zulieferer für die Möbelindustrie mit verschiedenen Produktionstandorten in Europa. Der Umsatz für den Fertigungsverbund betrug im vergangenen Jahr über 100 Millionen €. Durch ein starkes Wachstum war es dem Unternehmen möglich, weitere Werke für die Produktion von Holzspanplatten zu kaufen. Mit dem Anstieg der Produktionsstandorte sind auch die Anforderungen an die Steuerung und Auslastung des Produktionsverbundes gestiegen. Die Kundenaufträge werden an einer zentralen Stelle gesammelt und dann in Abhängigkeit der verfügbaren Kapazitäten auf die einzelnen Werke des Produktionsnetzwerkes verteilt. In der Vergangenheit ist es dabei immer wieder vorgekommen, dass Fertigungsaufträge mit einem negativen Deckungsbeitrag produziert worden sind. Zwar gab es für den Vertrieb Mindestpreisvorgaben für Standardaufträge, jedoch konnte hiermit kundenspezifische Aufträge nur bedingt verglichen werden. Hinzu kam, dass unterschiedliche Kostenstrukturen in den jeweiligen Werken vorlagen. Bei der Kalkulation der Fertigungsaufträge konnte diese nicht berücksichtigt werden, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest Stand, an welchem Standort der Auftrag gefertigt werden soll. Schließlich wurde das TCW beauftragt, ein Konzept für die Selektion von Fertigungsaufträgen mit einem negativen Deckungsbeitrag auszuarbeiten und zu implementieren.
Das Projekt startete mit einer Prozessanalyse der Auftragsabwicklung, die in einem ersten Schritt auf einen Standort fokussiert war. Der Untersuchungsgegenstand umfasste dabei alle Prozesse von der Auftragserstellung bis hin zur Auslieferung der Ware an den Kunden. Durch diese Analyse wurden die folgenden Defizite festgestellt:
Für die Filterung von Kundenaufträgen ergeben sich zwei verschiedene Lösungsansätze. Der erste Ansatz verfolgt eine Optimierung der zentralen Auftragskalkulation. Hierzu sind für jeden Produktionsstandort die individuellen Herstellungskosten zu hinterlegen. Bei der Kalkulation eines neuen Kundenauftrags sind diese anhand der werksspezifischen Herstellungskosten zu klassifizieren. Bei der anschließenden Auftragszuteilung zu dem jeweiligen Werk ist zu prüfen, ob der Auftrag in dem geplanten Werk mit einem positiven Deckungsbeitrag produziert werden kann. Die Umsetzung dieser Lösungsvariante erfordert einen hohen Aufwand bei der Kalkulation und Planung der Kundenaufträge sowie tiefe Eingriffe in die bestehende Software zur Auftragskalkulation. Ferner sind die Kostenstrukturen der jeweiligen Werke regelmäßig abzufragen und in die Software zur Auftragskalkulation einzupflegen.
Der zweite Ansatz favorisiert eine Bewertung der eingelasteten Kundenaufträge in den jeweiligen Werken. Hierzu sind die bestehenden Abteilungen Auftragsabwicklung sowie die Produktionsplanung und -steuerung in ein Auftragsabwicklungszentrum zu überführen, das eine Überprüfung des Deckungsbeitrages der neu eingelasteten Fertigungsaufträge durchführt. Bei einem positiven Deckungsbeitrag wurden die Kundenaufträge in die Produktion eingelastet, während Kundenaufträge mit einem negativen Deckungsbeitrag eingefroren wurden. Mit den eingefrorenen Kundenaufträgen wurde dann im Rahmen einer Regelkommunikation weiter verfahren. Teilnehmer der Regelkommunikation waren Vertreter aus dem Auftragsabwicklungszentrum, dem Vertrieb und dem werksübergreifenden Supply Chain Management, dass für die Verteilung der Fertigungsaufträge im Produktionsnetzwerk zuständig war. In der Regelkommunikation wurde festgelegt, ob der Kundenauftrag trotz des negativen Deckungsbeitrages in diesem Werk aus strategischen Gründen gefertigt werden soll, oder in einem anderen Werk mit einer besseren Kostenstruktur gewinnbringend gefertigt werden kann. War beides nicht möglich, wurde der Kundenauftrag neu kalkuliert oder ggf. storniert. Diese Umsetzungsvariante erforderte organisatorische Veränderungen in den einzelnen Werken. Als Vorteile sind zu nennen, dass die Einführung schrittweise vorgenommen werden kann und keine gravierenden Veränderungen an der bestehenden IT-Landschaft durchgeführt werden müssen. Ferner bleibt die Verantwortung für eine wirtschaftliche und den Unternehmenswert steigernde Produktion in den jeweiligen Werken. Aus diesen Gründen und den Nachteilen des ersten Ansatzes hat sich die Unternehmensleitung für die Umsetzung des zweiten Lösungsansatzes entschieden.
Durch die Einführung des Auftragsabwicklungszentrums sowie die Überprüfung der Deckungsbeiträge neu eingelasteter Kundenaufträge ist es gelungen, falsch kalkulierte Kundenaufträge oder solche mit einem zu geringen Deckungsbeitrag nachhaltig herauszufiltern. Durch diese Filterung ist es gelungen, Kosten in Höhe von mehreren Millionen Euro pro Jahr einzusparen. Das Unternehmen plant durch die zukünftige Einführung eines Zieldeckungsbeitrages diese Einsparungen noch weiter zur steigern.