[24.06.2008]
Die Übersetzung der Kundenanforderungen in konkrete Produkteigenschaften stellt insbesondere Unternehmen in der Software Branche vor große Herausforderungen. Für materielle Produkte in der Industrie existieren bereits heute vielfältige Methoden wie die Conjoint-Analyse, das Quality-Function Deployment, die Kano-Analyse etc. um Kundenanforderungen systematisch zu ermitteln und zu bewerten. Bei immateriellen Produkten wie Software lassen sich Kundenanforderungen meistens nur abstrakt beschreiben. Vielen Unternehmen fehlen eine Systematik und die notwendigen Kapazitäten, um diese Kundenanforderungen strukturiert zu erfassen und zu bewerten.
Der in der Softwareentwicklung geläufige Begriff des Requirements Engineering beschreibt ein strukturiertes Vorgehen zur Ermittlung von Kundenanforderungen für ein zu entwickelndes Softwareprodukt. Die Vorgehensweise des Requirements Engineering empfiehlt allerdings kaum konkrete Methoden zur systematischen Erfassung und Bewertung dieser Kundenanforderungen. In der Regel werden diese im Dialog mit dem Kunden schriftlich in einem Anforderungskatalog festgehalten bevor Sie im Anschluss in einem Lasten- bzw. Pflichtenheft spezifiziert werden. Die reine Auflistung der Kundenanforderungen gibt dem Hersteller jedoch kaum die Möglichkeit, die Wichtigkeit sowie die Präferenzen für einzelne Produktmerkmale aus Kundensicht herauszustellen und daran seine Entwicklungsaufwände auszurichten.
In diesem Zusammenhang konnte die aus der Konsumgüter-Branche bekannte aber mittlerweile auch in der Industrie weit verbreitete Conjoint-Analyse erfolgreich bei einem Hersteller von Standardsoftware angewendet werden. Die Übertragung von industriellen Methoden in den Bereich der Softwareentwicklung steht hier noch ganz am Anfang.
Ausgangspunkt der internet-gestützten Conjoint-Befragung war die Festlegung des funktionalen Betrachtungsgegenstands. Die Eingrenzung des Betrachtungsgegenstands ist insofern wichtig, da die Befragungsdauer einer Online-Umfrage keine 30 Minuten überschreiten sollte. Innerhalb der Online-Befragung wurden 16 konkrete Merkmale der betrachteten Software abgefragt, für die jeweils unterschiedliche Ausprägungen angeboten wurden. Bei der Benennung der Merkmale und Ausprägungen wurde darauf geachtet, möglichst kurze und prägnante Beschreibungen zu formulieren die allgemeinverständlich sind. Insbesondere bei Software stellt dies jedoch eine große Herausforderung dar, da sich aufgrund der Immaterialität des Produktes Funktionen oft nicht allgemeinverständlich formulieren lassen. Während die Anforderungen des Kunden in der Regel fachlich bezogen sind, ist die interne Sicht durch die Dominanz von Entwicklern oft technisch geprägt. Daher wurde in der Online-Befragung zusätzlich mit Schaubildern gearbeitet, die erheblich zur Verständlichkeit der Merkmale und Ausprägungen beitrugen.
Der Nutzen der Conjoint-Analyse besteht darin, dass sich mit Hilfe der Befragungssystematik Präferenz-Urteile über einzelne Merkmale, Ausprägungen und Merkmalskombinationen ableiten lassen. Während bei einer reinen Sammlung der Kundenanforderungen keine Aussagen darüber getroffen werden können wie wichtig einzelne Merkmale dem Kunden sind, wird der Kunde bei einer Conjoint-Analyse dazu bewegt, Präferenzen zu artikulieren. Als Resultat kann eine Rangfolge der Merkmalswichtigkeiten erstellt werden und auch auf Ausprägungsebene können sogenannte Teilnutzenwerte ermittelt werden, die darüber Aufschluss geben welche Ausprägungen der Kunden präferiert.
Ein weiteres Element der Befragung ist die Kombination von externer und interner Sicht. Dazu wurden nicht nur externe Probanden befragt sondern auch interne Mitarbeiter, die mit der Entwicklung und Vermarktung des Software-Produktes befasst waren. Dies ermöglichte eine vergleichende Gegenüberstellung der externen Kundenanforderungen mit den Annahmen der internen Mitarbeiter. Diese kombinierte Befragung offenbarte, dass bei bestimmten Merkmalen erhebliche Differenzen in der Beurteilung der Merkmalswichtigkeit bestanden. Während bestimmte Merkmale aus interner Sicht als sehr wichtig beurteilt wurden, wurden diese aus externer Sicht als völlig unbedeutend eingestuft. Diese Erkenntnis war Anlass dafür, interne Entwicklungsaufwände für gewisse Funktionen zu überdenken und marktorientierter in anderen Funktionen umzuleiten.
Insgesamt konnte mit der Anwendung der Conjoint-Analyse bei einem Software-Produkt gezeigt werden, dass industrielle Methoden auf die Software übertragen werden können. Weiterhin konnten aus der Conjoint-Analyse Ergebnisse abgeleitet werden, die zu einem zielorientierten Einsatz der Entwicklungsaufwände herangezogen werden können.