[03.02.2020]
Ein zu starker Wettbewerbsfokus ist in Zeiten dynamischer Umweltbewegungen tendenziell schädlich. Der Nachteil daran ist, dass ein Unternehmen bei einer sehr starken Wettbewerbsfokussierung erst dann handelt, wenn sich der Wettbewerb bewegt und somit immer Second Mover bleibt. Das Unternehmen läuft dem Wettbewerb hinterher. Besser ist es, Kundenorientierung als oberste Maxime im Unternehmen zu betreiben, das gilt auch bei der Bewertung des Kundennutzens von neuen Technologien!
„Ist die Kundenorientierung die zentrale Maxime der Unternehmensstrategie, ist die Führungsgröße des Unternehmens der Befriedigungsgrad der Kundenbedürfnisse – und diese sind nie erfüllt und können immer weiter verbessert werden.“
Beim Brainstorming für neue Geschäftsfelder, Technologien oder Lösungen sollten sich Unternehmen also nicht fragen: „Was haben wir in der Vergangenheit gemacht?“. Viel eher muss der Analyseansatz lauten: „Was könnten Menschen zukünftig wollen?“. Insbesondere der Begriff „Mensch“ ist hier wichtig, denn eine Fokussierung auf „Kunden“ würde dazu führen, dass sich der Erfindergeist nur auf die bestehenden Kundengruppen beschränkt.
Für innovative Technologien müssen auch innovative Marketinginstrumente genutzt werden. Selbst heute wird an vielen Instituten noch eine mehr als 50 Jahre alte Nomenklatur aus dem klassischen Marketing unterrichtet. Diese alte 4P-Systematik umfasst Instrumente, mit denen Marketingstrategien in konkrete Pläne umgesetzt werden können. Diese vier P stehen für „Product“ (Produktpolitik), „Price“ (Konditionspolitik), „Place“ (Distributions- und Vertriebspolitik) und „Promotion“ (Kommunikationspolitik). Obgleich dieses Konzept aufgrund der allgemeingültigen Wahrheiten weiterhin Bestand haben wird, ist klar: Wenn von Customer Journey und Ökosystemen die Rede ist, sind für digitale Geschäftsmodelle andere Marketinginstrumente gefragt.
„Wenn man mehrere Unternehmen bei der Einführung innovativer Technologien begleitet hat, stellt man fest: Es lassen sich Muster erkennen. Die erfolgreichsten unter ihnen beherrschen die neuen 4P in der Vermarktung: Plattform, Purpose, Play und Passion!“
Auch wenn der Automatisierungsgrad über alle Branchen hinweg steigt, rückt der Mensch als emotionaler Kunde deutlich stärker in den Mittelpunkt. Als Konsequenz daraus lässt sich die Markenattraktivität in Zukunft durch vier zentrale Disziplinen charakterisieren: Platform, Purpose („Legitimation“), Passion („Leidenschaft“) und Play („Spieltrieb“). Das Plattformdenken prägt die digitale Servicelandschaft, da verstärkt die Nutzung statt der Erwerb von materiellen oder digitalen Gütern in den Vordergrund rückt. Die Plattform ist zudem ein wichtiger Anknüpfungspunkt für neue Leistungsbündel des Unternehmens. Genau so hat es die Firma Stihl mit dem Start-Up GreenIQ gemacht, als sie sich im Januar 2017 mit 35% an dem jungen Unternehmen aus Tel Aviv beteiligte. Aus der Kooperation wurde für Stihl die Idee geboren, in den Smart-Garden-Bereich einzusteigen und sich zukünftig mit cloudbasierten Gartenanwendungen zu beschäftigen. So lässt sich etwa eine Verknüpfung mit bereits bestehenden Produkten, wie etwa dem Mähroboter, auf einer gemeinsamen Plattform herstellen. Zudem sind Plattformen auch Datenspeicher hinsichtlich des Nutzungsverhaltens der Kunden. Durch eine intelligente Auswertung der Aktivitäten auf der Plattform können für eine weitere Verbesserung der Customer Experience - also dem „Erleben“ des Produktes oder der Dienstleistung, Indikationen gewonnen werden . Die Begriffe „Passion“ und „Purpose“ spiegeln genau diese Bedeutung emotionsgeladener Distributionsstrategien wieder. Die Zeiten, in denen Unternehmen sachliche Fakten auflisten konnten, um den Kunden vom Kauf zu überzeugen, sind vorbei. Hier genügt der Vergleich der TV-Werbespots von heute und vor 40 Jahren. Werbetreibende versuchen immer stärker, den Kunden auf emotionaler Ebene anzusprechen. „Freude am Fahren“ oder „Taste the feeling“ sind treffende Beispiele. Zahlreiche Studien belegen, dass Kundenloyalität durch empfundene Intimität zu Marken und Emotionsreaktionen deutlich besser gesichert werden kann, als durch jegliche Auflistung über Produkteigenschaften könnte. Zudem wird Marketing immer häufiger bidirektional – der Kunde konsumiert nicht, er partizipiert und vervielfältigt - getriggert durch Emotionen. Dies findet häufig auf sozialen Medien wie Facebook und Twitter statt. Einige Spots erlangen dann temporär durch Multiplikatoreffekte eine extreme Beliebtheit und werden stellenweise von Kunden humorvoll nachgestellt und wieder ins Netz hochgeladen. Das Phänomen des Influencers zeigt uns, dass gezielte Verkaufsförderungsmaßnahmen und die Verbreitung privater Inhalte immer mehr verschwimmen.
Müssen sich neue Technologien beweisen, gilt es auch die Legitimation des Unternehmens zu berücksichtigen. „Bio“- und „Green“-Label sind Belege dafür, dass Kunden sich immer stärker auch für die gesellschaftliche Akzeptanz der Unternehmen hinter den Marken interessieren. Das kann stellenweise zu absurden Marketingaktionen führen: Der Outdoor-Hersteller Patagonia hat 2011 zur Konsumreduktion aufgerufen und in einer groß angelegten Printanzeige ein Bild mit einem eigenen Produkt und der Bildunterschrift „Don’t buy this Jacket“ abgedruckt. Im Fußtext wurde dann dediziert darauf hingewiesen, dass sich durch das Reparieren und Wiederverwenden von Konsumartikeln die Umweltbelastung reduzieren ließe. Im Jahr 2015 entsandte das Unternehmen dann ein Werkstattauto durch die USA, um gebrauchte Produkte der eigenen Marke kostenlos zu reparieren und so länger nutzbar zu machen. Der Umsatz von Patagonia verdreifachte sich im Zeitraum von 2011 bis 2015. Diese imagebildenden Kampagnen sind ein gutes Beispiel dafür, dass für neue Geschäftsmodelle auch berücksichtigt werden muss, dass nicht nur das Produkt selbst, sondern vor allem auch die öffentliche Wahrnehmung des Unternehmens in die Kaufentscheidung mit eingeht. Zu spielen und in den Wettbewerb zu treten, lernen wir von Kindesbeinen an. Selbst als Erwachsene verbringen wir gern Zeit mit Spielen. Darauf zielt das vierte „P“ im neuen 4P-Marketingkonzept ab – „Play“.
Bei der Spielifizierung werden bekannte Spielelemente in spielfremden Kontexten eingesetzt, um die intrinsische Motivation der Nutzer zu aktivieren. Zu Beginn wurde Spielifizierung im Rahmen von Kundengewinnungs- und Kundenbindungsprogrammen eingesetzt. Payback oder Miles&More laufen bereits seit mehreren Jahren erfolgreich mit spielerischen Elementen.
Neue innovative Vermarktungskonzepte zielen natürlich auf die gleichen Umsatzhebel ab wie die klassischen Ansätze. Nur eines ist sicher, die alten Vermarktungskonzepte greifen bei innovativen Technologien und Geschäftsmodellen immer weniger.
Kunden-/Lieferantenbeziehungen spielen sich auf Plattformen und in Ökosystemen ab und schnellere Fahrzeuge allein sind kein Verkaufsargument, wenn der ökologische Fußabdruck keine Legitimation mehr ermöglicht. Nur Unternehmen, welche die Sprache der digitalen Welt sprechen, werden nicht nur neue Technologien entwickeln, sondern können aus diesen auch Umsatzwachstum generieren!
Um vorherrschende Muster aufzubrechen und neue Denkansätze zu verankern, kann eine externe Sicht der Dinge und ein breites Hinterfragen des Status quo nützlich sein. Gerne unterstützen wir Sie dabei!
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