[19.12.2012]
Um für Chemieunternehmen attraktive Standortbedingungen zu bieten, ist für Chemieparkbetreiber eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen. Neben einem breiten Leistungsspektrum kommt vor allem der Wettbewerbsfähigkeit dieser Leistungen sowie der Berücksichtigung unternehmensindividueller Erfolgsfaktoren eine immer größere Bedeutung zu. Für den Erfolg der Chemieparkbetreibergesellschaften ist die Abstimmung ihrer strategischen Positionierung mit diesen Erfolgsfaktoren entscheidend.
Der Untersuchungsgegenstand des durch die AIF geförderten Forschungsprojektes „Chemieparks als Service- und Kompetenzcenter“ ist die marktorientierte Optimierung des Leistungsangebotes von Chemieparks. Bei den betrachteten Chemieparks handelt es sich um Anbieter von Infrastruktur- und Servicedienstleistungen primär für Unternehmen aus der Chemieindustrie. Die Struktur der Chemieindustrie hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt. Während die Branche noch vor 20 Jahren durch große Industriekonglomerate dominiert wurde, herrscht heute eine wesentlich stärker zergliederte Branchenstruktur vor. Bedingt durch diesen Strukturwandel und den in der Chemieindustrie anhaltenden Trend des Outsourcings von Aktivitäten die nicht zum Kerngeschäft gehören ergeben sich für Standortortdienstleister sehr komplexe Anforderungen. Einerseits ist die Anzahl der Schnittstellen stark angestiegen, andererseits müssen sich die ehemaligen Service-Gesellschaften einem immer stärker werdenden Wettbewerb stellen. Um trotz gestiegener Anforderungen weiterhin im Wettbewerb erfolgreich zu sein, ist ein auf die Bedürfnisse der Kunden abgestimmtes Produktportfolio essentiell.
Das Leistungsportfolio von Chemieparkbetreibern setzt sich aus zwei Grundpfeilern zusammen: dem standortgebundenen Infrastrukturangebot und den nicht ortsspezifischen Serviceleistungen. Die Infrastruktur umfasst neben der obligatorischen Anbindung an das Straßen-, Schienen- und Wasserstraßennetz auch Pipelineanschlüsse, Zugang zu Flughäfen sowie Lagermöglichkeiten. Hinzu kommen das Flächenmanagement sowie Ver- und Entsorgungseinrichtungen (vgl. Abbildung 1). Letztere gewinnen vor allem im Zuge steigender Energiepreise sowie verschärfter Umweltschutzrichtlinien zusätzlich an Bedeutung. Diese Leistungen sind ortsgebunden sowie häufig mit hohen Investitionskosten verknüpft und können daher nicht einfach durch externe Dienstleister imitiert oder substituiert werden. Daher nimmt der Infrastrukturbetreiber eine monopolartige Stellung ein. Anders verhält es sich bei den nicht standortgebundenen Service-Leistungen. Bei diesen steht der Anbieter oft in direkter Konkurrenz zu externen Dienstleistern und muss sich im offenen Wettbewerb behaupten. Beispiele für dieses Dienstleistungsangebot sind Logistik und IT-Services sowie Anlagenbetreuung, Analytik-Services und Behördenmanagement (vgl. Abbildung 1).
Durch die sehr unterschiedliche Historie der einzelnen Standorte ist auch das heutige Erscheinungsbild der jeweiligen Chemieparks und ihrer Standortbetreiber sehr heterogen. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Eigentümerstruktur der Betreibergesellschaft. Diese determiniert maßgeblich die Freiheitsgrade innerhalb derer ein Standortdienstleister seine Strategie selbst bestimmen kann. Dies ist entscheidend, denn um nachhaltig als Standortdienstleiter erfolgreich zu sein, reicht es nicht aus den ansässigen Unternehmen ein breites Leistungsspektrum zu offerieren. Vielmehr wird die strategische Positionierung der Chemieparks immer wichtiger. Dies umfasst die Konzentration auf Kernkompetenzen, eine wettbewerbsfähige Preisgestaltung und ein Nutzenversprechen an den Kunden, welches über das Bereitstellen von günstigen Services hinausgeht. So wird die Reduzierung von Schnittstellen gerade durch das Outsourcing von immer größeren Bereichen in den jeweiligen Chemieunternehmen immer wichtiger und somit zu einem kritischen Erfolgsfaktor für den Chemieparkbetreiber.
Leistungsgestaltung und Erfolgsfaktoren hängen eng zusammen. So ergeben sich aus den Erfolgsfaktoren sehr unterschiedliche Gestaltungsempfehlungen für die individuelle Konfiguration der internen und externen Wertschöpfungsarchitektur der jeweiligen Chemieparkbetreibergesellschaften. Entscheidend ist eine genaue Abstimmung des Leistungsspektrums auf die gegebenen unternehmensinternen und externen Faktoren.
Dies bedeutet in vielen Fällen, dass auch der Anbieter von Outsourcing-Services, die Betreibergesellschaft ihrerseits, einige Dienstleitungen an externe Anbieter weitervergibt. Konkret bedeutet dies, dass vielfach Logistikaktivitäten von externen Akteuren durchgeführt werden. Diese sind angeboten durch die Standortgesellschaft im Rahmen des Chemietarifvertrages oft schlicht zu teuer und damit nicht wettbewerbsfähig. Zwar kann vielfach das gesamte Leistungsbündel dem Kunden weiterhin aus einer Hand angeboten werden, d.h. koordiniert und zentral gesteuert durch den Chemieparkbetreiber, allerdings erfolgt in diesem Fall keine vollständige Abdeckung von Leistungstiefe und -breite durch die Betreibergesellschaft selbst. Der Chemieparkbetreiber tritt eher als Orchestrator von Leistungen auf und kann sich so auf die eigenen Kernkompetenzen konzentrieren. Durch eine effiziente Leistungsgestaltung lassen sich so mehrere Erfolgsfaktoren miteinander verknüpfen. Einerseits kann die Anzahl der Schnittstellen für Chemieunternehmen reduziert werden, andererseits erfolgt bei allen Beteiligten eine Konzentration auf deren unternehmensindividuelle Kernkompetenzen. Der Trend geht zu schlankeren und vor allem effizienteren Organisationen, die durch ihre strategische Positionierung Wettbewerbsvorteile realisieren können. Durch ein wettbewerbsfähiges Leistungsangebot des Chemieparks profitieren auch die ansässigen Chemieunternehmen maßgeblich, denn der Chemieparkbetreiber kann 10-15 %, in einigen Fällen sogar bis zu 30 %, der Gesamtkosten der ansässigen Chemieunternehmen beeinflussen. So können enorme Potenziale durch die Optimierung des Leistungsangebots von Chemieparks gehoben werden. Dies dient nicht nur der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität der Betreibergesellschaft selbst, sondern bietet Wettbewerbsvorteile für die ansässigen Unternehmen und letztlich auch dem Chemiestandort Deutschland als Ganzes.