[06.03.2009]
Innovative Unternehmen haben eine Schlüsselposition für die Wettbewerbsfähigkeit und Dynamik von Wirtschaftsräumen. Besonders im Rahmen des globalen Wettbewerbs und durch zunehmende Kundenanforderungen sind lediglich solche Unternehmen erfolgreich, die ihre Innovationskraft gezielt managen. Unter Innovationskraft wird die Summe aller Anstrengungen für den Wandel und die Erneuerung verstanden, die den dauerhaften Erfolg eines Unternehmens entscheidend beeinflussen. Die Steigerung der Innovationskraft im Sinne einer gezielten Optimierung des F&E-Portfolios hat sowohl auf der Technologie- als auch auf der Kostenseite einen erheblichen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. So kann beispielhaft durch die Reduzierung der projektspezifischen Entwicklungszeiten der Umsatzbeitrag von Innovationsideen deutlich früher realisiert werden, was zu einer Verbesserung des Cash Flows führt. Zusätzlich lassen sich durch eine auf die Transparenz über laufende und geplante Einzelprojekte abzielende Innovationsstrategie Verbesserungen in der Qualitäts- und Kostenstruktur der F&E-Projekte erreichen und Komplexitätstreiber innerhalb eines F&E-Programms eliminieren. Durch den gezielten Einsatz der in einer Organisation vorhanden Ressourcen, wie Personal, Anlagen oder Finanzmittel ist es möglich die Erfolgsfaktoren Kosten, Zeit und Qualität innerhalb einzelner Projektaktivitäten zu verbessern, neue Märkte und Anwendungsfälle zu erschließen, und eine ganzheitliche und vor allem effiziente Optimierung der Wirtschaftlichkeit zu erreichen.
Die kontinuierliche Verbesserung des unternehmerischen Leistungsprogramms, die Differenzierung der kundengerichteten Angebote sowie der durch die Innovationskraft eines Unternehmens entstandene Vorsprung sowohl im Rahmen der Produkt- als auch in der Prozesslandschaft schaffen die benötigten Wettbewerbsvorteile für Unternehmen in einem global umkämpften Marktumfeld. Zudem beruhen weitere Wettbewerbsfaktoren, wie zum Beispiel die marktrelevante Sortimentsvielfalt, die technologische Produktplattform sowie die Qualität von Produkten und Dienstleistungen auf einem zielgerichteten F&E-Portfoliomanagement und somit auf einem effektiven und effizienten Innovationsprozess.
Zur Realisierung nachhaltiger Effekte im Innovationsprozess wurde am TCW ein IT-basiertes Bewertungsmodell entwickelt, das durch die Schaffung einer erhöhten Transparenz über die Innovationsleistungen einen nachhaltigen Beitrag zur Effektivität und Effizienz des Innovationsmanagements leistet. Der Lösungsansatz basiert auf einem dreistufigen Modell das in Form des IT-Tools „InnoSelect“ operationalisiert wurde. Kernaufgabe des Modells ist die Ableitung eines nutzenoptimierten Innovationsportfolios, welches sich auf Basis von individuell parametrisierbaren Rahmenbedingungen generiert.
Im Rahmen der Projektinitiierung erfolgt anhand einer übersichtlichen Projektstruktur mit standardisierten Ideensteckbriefen eine eindeutige Charakterisierung der Innovationsvorhaben. Der Projektsteckbrief ermöglicht die Charakterisierung des Vorhabens anhand von qualitativen Eingabefeldern zur Beschreibung der Problem-, Nutzen- und Lösungswegbeschreibung und weist jedem Vorhaben einen eindeutigen Projektschlüssel zu. Des Weiteren erfolgt eine bedarfsspezifische Typisierung der Innovationsvorhaben sowie eine erste Bestimmung der vorherrschenden Umsetzungsrisiken und zu erreichenden Ziele. Das IT-Tool ermöglicht dabei eine Differenzierung von inkrementellen und radikalen Produkt- bzw. Prozessinnovationen.
Das Modul der Ideenbewertung beinhaltet die strategische, technologische und marktseitige Vorbewertung der angelegten Innovationsvorhaben anhand von unternehmensspezifisch konfigurierbaren K.O.-Kriterien sowie eine qualitative Beurteilung von Einflussgrößen zur Chancen/Nutzen- und Risikoabschätzung. Die strategische Vorbewertung stellt das erste Quality Gate dar, in dem die Innovationsvorhaben je nach Ausgang der Bewertung aussortiert, verzögert bzw. rückgestellt oder im Idealfall in die Konzeptentwicklung überführt werden. Im Bereich der Konzeptentwicklung und -verfeinerung werden die in der Vorbewertung als positiv beurteilten Ideen unter Verwendung von leistungs- und finanzwirtschaftlichen Kennzahlen quantifiziert. Dabei erfolgt eine stufenweise Erfassung des Konzeptstatus bezüglich der Faktoren Kosten, Zeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit. Zur Ermittlung der Erfolgsträchtigkeit werden die jeweils relevanten Daten durch standardisierte Eingabemasken abgefragt und anhand eines Entscheidungs-Cockpits auf verdichtetem Informationsniveau ausgegeben. Die Entscheidungs-Cockpits beinhalten graphische Auswertungen für die einzelnen Bewertungskriterien der Innovationsprojekte und stellen die Basis für das zweite Quality Gate dar. Ideen die im Rahmen der Konzeptentwicklung und -verfeinerung nicht die vorab definierten Mindestanforderungen erreicht haben, werden in diesem Schritt aussortiert und können nicht automatisch in die Phase der Nutzenoptimierung des Projektportfolios überführt werden.
Das Modul der Portfoliooptimierung stellt das eigentliche Kernstück des Modells dar. Es beinhaltet die Bildung eines optimierten F&E-Projektportfolios. Unter Berücksichtigung der eingangs festgelegten Restriktionen, wird unter Zuhilfenahme einer linearen Optimierungslogik ein Idealportfolio ermittelt, welches unter den gegebenen Rahmenbedingungen aus der Summe der freigegebenen Innovationsprojekte den maximal erreichbaren Nutzen ermittelt.
Pilothaft erfolgte die Anwendung des IT-Tools „InnoSelect“ bei einem Unternehmen des Anlagenbaus. Das Unternehmen stellt standardisierte und zu einem großen Teil kundenindividuell angepasste Anlagen her. Das Produktportfolio des Unternehmens beinhaltet sowohl kleine Serienmaschinen als auch große, kostenintensive Anlagen mit mehreren Maschinen und einem hohen Umfang an Anlagenkomponenten zur Regelung und Steuerung der Einbauten. Zur Reduzierung der Kosten wurde in Zusammenarbeit mit dem TCW eine Produktklinik durchgeführt.
Ziel war die kosten- und nutzenoptimale Produktgestaltung unter besonderer Berücksichtigung der Kundenanforderungen. Im Rahmen der Produktklinik wurden 94 Ansätze zur Verbesserung der Kostenstruktur des Produktes identifiziert, die im überwiegenden Fall eine Funktions- oder Qualitätsverbesserung darstellen. Von diesen 94 Ansätzen sind 85 dem Gebiet der inkrementellen Innovationen und neun dem Gebiet der radikalen Innovationen zuzuordnen. Jede der Innovationen für sich stellt einen Vorteil für das zu verbessernde Produkt oder für den Fertigungsprozess dar. Zur Klassifizierung und Bewertung der Ideen wurde im Nachgang zur Vorbereitung der Umsetzung bzw. Realisierung das IT-Tool „InnoSelect“ herangezogen.
Zunächst wurde die Projektstruktur zur eindeutigen Zuordnung in das Tool übertragen und jede der 94 Ideen anhand eines „Ideensteckbriefs“ erfasst. Die Erfassung dient der systematischen und einheitlichen Dokumentation, so dass eine Bewertung, Beurteilung und anschließende Freigabe der Ideen vereinfacht und standardisiert möglich war. Hierbei wurde eine Grobbeschreibung der Idee, anhand der Ausgangssituation sowie durch erwartete Chancenpotenziale und Risiken qualitativ vorgenommen. Zusätzlich wurde eine Typisierung anhand des zu erwartenden Nutzenbeitrags durchgeführt.
Nach der ersten Erfassung der Idee erfolgte durch ein crossfunktionales Bewertungsteam eine durch die „InnoSelect“-Software gestützte Grobbewertung für jede der 94 Ideen anhand von unternehmensspezifisch festgelegten Bewertungskriterien, die den Bereichen „Interner Nutzen“, „Marktchancen“ und „Umsetzungsrisiko“ zugeordnet wurden. Hierbei wurden eine Chancen-Nutzen-Bewertung und eine Risiko-Bewertung vorgenommen. Zusätzlich erfolgte eine Analyse von vier zuvor definierten K.O.-Kriterien (z.B. Strategischer Fit nicht vorhanden, Kundennutzen nicht vorhanden). Das der Grobbewertung folgende Quality Gate entschied bereits darüber, ob eine Idee zurückgestellt, weiter verfolgt oder aussortiert wurde. Auf Basis der Bewertungsergebnisse wurden im ersten Quality Gate fünf Ideen ausgephast und zwölf Ideen zurückgestellt.
Alle weiteren Ideen wurden zunächst weiterverfolgt und im Rahmen einer Feinbewertung detailliert untersucht. Diese ausführliche Analyse der verbleibenden Ideen basierte auf quantitativen Kennzahlen, die in „InnoSelect“ hinterlegt sind. Hierzu zählen Kriterien, die das Nutzenpotenzial, den Kapazitätsbedarf sowie den Realisierungsaufwand näher spezifizieren. Im Rahmen der Detailanalyse wurden ausführliche Daten zur Kostenstruktur, zum Zeitplan und zu geplanten Mitarbeiterkapazitäten vom Bewertungsteam im IT-Tool „InnoSelect“ erfasst. Das im Anschluss an die Feinbewertung folgende Quality Gate zeigte auf, dass sechs Ideen aussortiert und acht Ideen zurückgestellt werden mussten. 63 Ideen erfüllen alle Kriterien zur Umsetzung.
Zur Umsetzung der freigegebenen Innovationsideen wurden den jeweiligen F&E- Bereichen Budgets zur Verfügung gestellt, die über den üblicherweise zur Verfügung stehenden Etats lagen. Die Funktion der Portfoliooptimierung des IT-Tools ermöglicht durch die Eingabe der aktuellen Budgetrestriktion sowie weiterer Restriktionen in Form von verfügbaren Mitarbeiterkapazitäten die Ermittlung des maximalen Nutzenbeitrags des Projekts. Durch die lineare Optimierung zeigt „InnoSelect“ die optimale Kombination von Ideen auf, deren Realisierung den größten monetären Nutzen liefert, so dass aus den verbleibenden 63 Ideen die Ideen mit dem maximal erreichbaren Ergebnis ausgewählt wurden.
Eine Kombination aus 52 Einzelideen ergab den bestmöglichen Ergebnisbeitrag. Durch die Ausgabefunktion der „InnoSelect“-Software wurde das gewichtete Portfolio graphisch ausgewertet, woraus eine Ergebnispräsentation erstellt wurde. Eine graphische Auswertungsalternative stellt das Umsetzungsrisiko-Marktchancen-Portfolio dar, das im Folgenden schematisch dargestellt ist.
Im Rahmen der Ergebnispräsentation wurden alle 52 Ideen zur Umsetzung freigegeben. Die Freigabe erfolgte direkt im IT-Tool, das für jede freigegebene Idee einen Innovationsstreckbrief mit allen relevanten Daten anfertigte.