[07.09.2002]
Die Veränderungen in den arbeitsteiligen Verflechtungen zwischen Abnehmer und Lieferant sind infolge neuer Entwicklungs-, Produktions- und Vertriebsstrategien weit fortgeschritten.
Die Gestaltung des Einkaufs und die damit zusammenhängende Neuverflechtung von Aufgabeninhalten hat zur Folge, dass die Grenzen der Einkaufsorganisation durch Einbeziehung der Wertschöpfungspartner eine zunehmende Öffnung nach außen erfahren. Bei der Frage nach einer geeigneten Einkaufsorganisation sind die organisatorischen Grundmuster der Organisation (funktionale, divisionale oder Matrix-Organisation) und die Anforderungen einer dem Leistungsprozess angepassten, optimierten Organisation des Einkaufs aufeinander abzustimmen. Grundsätzlich ergeben sich zwei Gestaltungsoptionen: Zum einen kann der Einkauf als Schnittstelle zwischen allen innerbetrieblichen Wertschöpfungsprozessen und dem Beschaffungsmarkt eingeordnet werden. Der Einkauf ist dann organisatorisch eigenständig (zentraler Einkauf) und stellt eine eigene betriebliche Funktion dar. Zum anderen kann der Einkauf auch als organisatorisch eingebundener Teil jeder einzelnen Wertschöpfungskette (dezentraler oder divisionaler Einkauf) ausgestaltet werden. Reorganisationen sind von der zentralen Leitlinie der Prozessorientierung geprägt, was eine Auflösung funktional ausgerichteter Unternehmensorganisationen und eine Dezentralisierung von Aufgabenumfängen der Wertschöpfungskette zur Folge hat. Hiermit ist eine Neupositionierung der Einkaufsaktivitäten verbunden. Der Prozessgedanke ist auf den Einkauf zu übertragen, da die Bedeutung des Einkaufs als koordinierende Stelle zwischen Beschaffungsmarkt und den verschiedenen betrieblichen Funktionen zunimmt. Das zentrale Segmentierungskriterium zur Einführung einer Projekteinkaufsorganisation ist die Kunden- beziehungsweise Projektstruktur, aus der sich die wesentlichen Entwicklungsprojekte des Unternehmens ableiten. Dabei sind ein oder mehrere Projekteinkäufer einem Entwicklungs-/Kundenprojekt fest zugeordnet und nehmen dabei alle relevanten Einkaufsaktivitäten für die projektspezifischen Materialien wahr. Das Aufgabenspektrum des Projekteinkaufs umfasst die folgenden relevanten Prozessschritte:
Der Projekteinkäufer gestaltet im Projektteam das Produkt mit und stellt dabei eine enge Kopplung und Parallelisierung von Einkaufs- und Entwicklungsaufgaben sicher, mit dem Ziel, als Projektmanager Einkauf die Interessen des Einkaufs zu vertreten. Daneben nehmen Commodity-Einkäufer als Beschaffungsmarkt- und Technologieexperten die Beschaffungsaufgaben für die Commodities in der laufenden Serie wahr. Sie übernehmen nach Abschluss des Entwicklungsprojekts die Serienbetreuung, führen jährliche Preisverhandlungen durch und setzen desweiteren die Preisstrategie um.
Der Projekteinkäufer und der Commodity-Einkäufer führen gemeinsam Anfragen durch, treffen Lieferantenentscheidungen, führen gemeinsam Vertragsverhandlungen und entscheiden letztendlich über die Vergabe des Auftragsvolumens. Mit der Serienreife des Produkts steht der Projekteinkäufer für neue Produktentwicklungen zur Verfügung.
Die Schnittstelle des Projekteinkaufs befindet sich zwischen dem zentralen Einkauf und der Entwicklung. Der Projekteinkauf arbeitet bereits in der Konzeptphase eng mit der Entwicklung zusammen, um sicherzustellen, dass bereits bei der Produktdefinition die Ziele und Strategien der Beschaffung berücksichtigt werden. Damit wird unter anderem der Wissenstransfer bezüglich eingesetzter Maschinen, Materialien, Komponenten und Technologien auch in die Produktbereiche sichergestellt. Der Projekteinkäufer stellt sicher, dass relevante Lieferanten frühzeitig in den Entwicklungsprozess integriert werden. In seiner Verantwortung liegt die Erstellung der Supplier Roadmap, die die Meilensteine der Lieferanteneinbindung wiedergibt. So können die durch den Vertrieb definierten Lieferbedingungen gegenüber dem Lieferanten termin- und kostengerecht realisiert werden - finanzielle Risiken werden minimiert. Die frühe Einbindung der Lieferanten und die enge Zusammenarbeit zwischen ihnen und dem Projekteinkauf erfordern die Anbindung moderner Logistikkonzepte zur Optimierung und Neugestaltung herkömmlicher Abnehmer-Lieferanten-Beziehungen. Der Entwicklungsschritt zur Nutzung von Internet-Technologien im Bereich Business-to-Business (B2B) führt zum einen zu erheblichen Verbesserungspotenzialen, zum anderen setzt er aber auch die konsequente Nutzung von E-Technologien voraus.
Die Ausgestaltung eines Projekteinkaufs erfordert weitergehende Qualifikationen der Einkaufsmitarbeiter.
Diese reichen von technischem Know-how über Führungs- und Durchsetzungs-qualitäten bis hin zur Methoden-kompetenz bezüglich moderner Einkaufstools wie Target Costing, Design to Cost und Einkaufs-/ Projektcontrolling. Die strategische Bedeutung des Einkaufs zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens gewinnt zunehmend an Bedeutung. Ausgehend von diesen veränderten Rahmenbedingungen ist es erforderlich, die innerbetriebliche Einkaufsorganisation anzupassen. Der Ansatz des Projekteinkaufs ist ein Weg, diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden.