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Prozessoptimierung und Auswahl eines ERP-Systems

[27.09.2010]

Foto: yoshitaka / fotolia.com

ERP-Systeme bilden das informatorische Rückgrat von Unternehmen. Sie sind für die Effizienz und den Erfolg von Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Gerade mittelständische Unternehmen stehen oft vor der Herausforderung, standortspezifische und stark individualisierte ERP-Systeme durch neue, standardisierte ERP-Lösungen abzulösen. Aufgrund der hohen Komplexität und der Vielzahl möglicher Imponderabilitäten im Rahmen der Auswahl neuer ERP-Systeme empfiehlt es sich, diese umfassend und präzise zu planen und die Hilfe von Experten hinzuzuziehen. Als vielfach bewährte Vorgehensweise empfiehlt TCW die Optimierung der Geschäftsprozesse parallel zur Auswahl des ERP-Systems.

Problemstellung und Zielsetzung

Eine Vielzahl von Unternehmen steht heute vor der Herausforderung, dass langjährig gewachsene und weiterentwickelte ERP-Systeme an Grenzen stoßen. Standortübergreifende Standardisierungs- und Optimierungsbestrebungen sowie das Überwinden von Leistungsbarrieren erfordern oftmals die Implementierung eines neuen ERP-Systems. Für betroffene Unternehmen ist daher die Frage nach einem geeigneten ERP-System-Anbieter zu beantworten. Außerdem ist zu entscheiden, wie im Zuge der ERP-Neueinführung mit den bestehenden Geschäftsprozessen umgegangen werden soll. Um Umsetzungsrisiken zu minimieren und die geplanten Zeitfenster zur Implementierung einzuhalten, gilt es den Einführungsprozess strukturiert zu gestalten. Idealerweise werden im Zuge der ERP-Systemeinführung die Geschäftsprozesse einer grundlegenden Optimierung unterzogen.

Vorgehensweise

Zahlreiche ERP-Einführungsprojekte haben gezeigt, dass es sinnvoll ist, im Zusammenhang mit der Einführung von ERP-Systemen die Prozesslandschaft des Unternehmens grundlegend zu optimieren. Neben den generellen Zielen, wie Verbesserung der Prozesszeiten, der Prozessdurchgängigkeit sowie der Prozessqualität, empfiehlt sich in diesem Kontext die Orientierung der Sollprozesse möglichst nah an ERP-typischen Referenzprozessen. Die ERP-Auswahl folgt einem klar gegliederten Vorgehen in mehreren Stufen. Nach der Ist-Prozessaufnahme wird eine erste Definition von Anforderungen an das ERP-System vorgenommen. Über eine Marktrecherche anhand grober Anforderungsprofile lässt sich eine Vorauswahl potenzieller ERP-Anbieter erreichen, die einer detaillierteren Analyse unterzogen werden. Im Anschluss erfolgt die Erarbeitung eines Detail-Lastenhefts. Dazu werden mit allen relevanten Unternehmensbereichen Anforderungen aus umfangreichen Anforderungskatalogen hinsichtlich der Bedeutung für die neue Software bewertet. Dieses Lastenheft bietet die Möglichkeit zusammen mit weiteren Informationen über das Unternehmen und die Prozesse eine gezielte Angebotsanfrage in Form einer Ausschreibung an verschiedene ERP-Anbieter zu richten. Durch das Vorgehen nach dem Trichtermodell lässt sich die Vielzahl verschiedener ERP-Anbieter und Systemhäuser über einen mehrstufigen Auswahlprozess auf eine überschaubare Anzahl geeigneter Anbieter reduzieren.

Über den detaillierten Vergleich und die Bewertung von Leistungskriterien sowie weiterer relevanter Aspekte der Anbieter sollen in die letzte Stufe des Auswahlprozesses maximal vier Anbieter einfließen. Diese werden zu Lieferantenworkshops eingeladen und anhand vorbereiteter Checklisten bewertet. Die Erkenntnisse aus den Workshops bilden das letzte Bewertungskriterium in der Auswahlentscheidung für den geeignetsten Anbieter. Nach der Entscheidung für einen Anbieter gilt es die beschriebenen Anforderungen des Lastenhefts in das Pflichtenheft zu übernehmen und später in einem Softwarevertrag rechtlich zu fixieren.

Ergebnisse

Durch die bewährte Vorgehensweise basierend auf dem ERP-Auswahl-Trichtermodell lässt sich der Umsetzungserfolg signifikant erhöhen, die Zeit für den ERP-Auswahlprozess maßgeblich verkürzen und Umsetzungsrisiken signifikant reduzieren. Durch das aufgezeigte Vorgehen kann durchschnittlich eine Projektzeitverkürzung in der Auswahlphase um bis zu 30% realisiert werden. Die parallel ablaufende Optimierung der Geschäftsprozesse generiert signifikante Potenziale zur Reduzierung der Durchlaufzeiten in der Auftragsabwicklung von bis zu 40%. Des Weiteren wird eine sachgerechte Zuordnung von Verantwortlichkeiten, eine deutliche Erhöhung der Prozessrobustheit sowie die vollständige Eliminierung von Medienbrüchen erzielt. Außerdem führt die stringente Ausrichtung der Geschäftsprozesse an den Anforderungen des neuen ERP-Systems zu einer deutlichen Verbesserung der Entscheidungsunterstützung für das Management.

Fallbeispiel 1 – Unternehmen der Kunststoffverarbeitung

Eine dynamische, durch Akquisen geprägte Wachstumsentwicklung bei einem mittelständischen Unternehmen der Kunststoffverarbeitung machte eine standortübergreifende Reorganisation der Prozesse sowie der IT-Unterstützung erforderlich. Das Ziel der Projekttätigkeit bestand in der Prozessoptimierung der Auftragsabwicklung sowie der Durchführung vorbereitender Maßnahmen zur Einführung eines ERP-Systems. Zu diesem Zweck wurden an allen Standorten die bestehenden Auftragsabwicklungsprozesse analysiert und abgebildet, sodass Verbesserungsmaßnahmen formuliert werden konnten. Weiterhin wurden idealtypische Soll-Prozesse erarbeitet, welche durch die zügige Umsetzung von definierten Sofortmaßnahmen implementiert wurden. In einem weiteren Schritt wurden die jeweiligen Bereichsanforderungen an ein konsistentes ERP-System formuliert, sodass die Grundlagen für eine zügige und strukturierte Einführung einer unternehmensgerechten ERP-Softwarelösung geschaffen wurden.

Die Vorgehensweise gliederte sich in die zwei Module Prozessoptimierung sowie Auswahl eines ERP-Systems, die parallel bearbeitet wurden. In der Vorphase wurden die relevanten Geschäftsprozesse aufgenommen und analysiert sowie die Ziele und das Projektkonzept abgeleitet. In der Startphase wurde ein Grob-Lastenheft erstellt, welches die Anforderungen des Unternehmens an die ERP-Anbieter beinhaltete. Der Auswahlprozess für eine geeignete ERP-Lösung basierte auf einem systematischen Trichtermodell. Unter 150 ERP-Anbietern auf dem deutschen Markt fand eine Vorauswahl von 13 Anbietern statt. Diese basierte auf den Auswahlkriterien Marktanteil, Reputation, Unternehmensgröße, Umsatz sowie Kundenzufriedenheit. Die hierfür benötigten Daten wurden im Rahmen einer Marktrecherche unter Einbeziehung einer externen Datenbank, des Internets sowie von Publikationen, generiert. Die detaillierte Bewertung der 13 Anbieter fand auf Basis umfangreicher Checklisten und TCW-interner Anbieterpräsentationen statt. Die Grundlagen des Bewertungsprozesses waren Checklisten zu Features, Standardfunktionen und lokalen Anforderungen, IT-Anforderungen und Mengengerüsten der Standorte sowie die Prüfung strategischer Kriterien im Rahmen der TCW-internen Anbieterpräsentationen.

Auf Grundlage einer umfassenden Bewertungsmatrix wurde eine Shortlist mit fünf potentiellen ERP-Anbietern generiert und für die jeweiligen Kandidaten steckbriefartige Bewertungsprofile als Entscheidungsvorlage erstellt. Die Ergebnisse des gruppenweiten Optimierungsprojektes lagen in der Reduzierung der Durchlaufzeiten der Auftragsabwicklung von durchschnittlich 30%.

Fallbeispiel 2 – Unternehmen der Klimatechnik

TCW wurde von einem mittelständischen Unternehmen der Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik beauftragt, die Fertigung zu optimieren, die Prozesslandschaft zu reorganisieren sowie ein zeitgemäßes ERP-System auszuwählen. Der Einsatz von Referenzprozessen unterstützte dabei die strukturierte und effiziente Modellierung der Sollprozesse und berücksichtigte die ERP-spezifischen Anforderungen an den Prozess.

Im ersten Schritt wurde die Unternehmens-Prozesslandschaft als Basis für weitere Detailworkshops erarbeitet und auf Ebene der Hauptprozessschritte abgebildet. Um eine strukturierte Abbildung der Prozesse zu gewährleisten, erfolgte eine Clusterung entlang der Geschäftsprozesse. So konnte beispielsweise eine Unterteilung in Prozesse des Vertriebs, Produktionsprozesse, Prozesse im Projektmanagement, Einkaufsprozesse, Serviceprozesse, Prozesse im Rechnungswesen und der Kostenrechnung bis hin zu Prozessen im Personalwesen vorgenommen werden. Anschließende Detailworkshops dienten der detaillierten Erfassung der Ist-Abläufe. Bereits in diesem Stadium wurden identifizierte Handlungsfelder in den Prozess gespiegelt sowie erste Ansatzpunkte zur Verbesserung vermerkt. Die anschließende Sollprozessmodellierung berücksichtigte Aspekte aus ERP-typischen Referenzprozessen und Referenzprozessmodellen sowie allgemeine und prozessspezifische Optimierungsansätze. Parallel dazu wurden die zur Optimierung notwendigen Maßnahmen in Maßnahmenplänen fixiert sowie Termine und Verantwortlichkeiten definiert. Der Prozess der Auswahl des ERP-Anbieters erfolgte parallel zur Fertigungs- und Prozessoptimierung und orientierte sich am bewährten ERP-Auswahltrichtermodell. TCW übernahm in der Folge die Begleitung des Implementierungsprozesses in Form der Übernahme des Projektmanagements und der lückenlosen Dokumentation der ERP-Systemfunktionalitäten, um einen reibungslosen und zügigen Know-How-Transfer im Unternehmen sicherzustellen.

Das ERP-Auswahlprojekt zeigte, dass durch die Berücksichtigung von ERP-Referenzprozessen sich die Anzahl unternehmensspezifischer Anpassungen bei der Softwareimplementierung deutlich reduzieren ließ. So wurde die Abbildung und Realisierung eines Großteils der gewünschten Funktionen durch Konfiguration des Systems ohne aufwändige Anpassungsprogrammierungen ermöglicht. Daraus ergab sich eine Verkürzung der Systemimplementierungszeit von 30% mit dem Vorteil einer signifikant verbesserten Release- und Updatefähigkeit des ERP-Systems.

Weiterführende Literatur

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