[26.09.2001]
Es vergeht fast kein Monat, indem nicht Meldungen über eine neue "Mega-Fusion" durch die Medien gehen. In den letzten 15 Jahren hat sich die Zahl der Unternehmenszusammenschlüsse verdreifacht. Allein in den letzten fünf Jahren haben weltweit mehr als 40.000 Unternehmenszusammenschlüsse stattgefunden. Dieser Trend ist branchen- und länderübergreifend zu beobachten und die prognostizierten Synergiepotentiale erreichen beträchtliche Höhen. So rechnet man bei E-on durch die Fusion von Veba mit Viag allein im Strombereich mit einem Einsparpotential von 700 Mio. Euro. Beflügelt durch die damit geweckten Fusionsphantasien stieg der Kurs im Frühjahr um 10%. Doch der letztliche und tatsächliche Erfolg dieser Fusionen ist noch nicht garantiert. Denn bei etwa 80% der Fusionen sind die strategischen Prämien und Kaufpreise im Nachhinein sogar höher als die tatsächlich realisierbaren Synergiepotentiale und Umsatzzuwächse. BMW und seine Trennung von der erst so vielversprechenden Errungenschaft Rover ist einer der bekanntesten Vertreter einer Fusion, bei dem die Träume von den Marktanteilen wie Seifenblasen zerplatzt sind. Und das ist nicht die einzige Fusion die hinter den gesetzten Erwartungen zurückgeblieben ist.
Das Institute for Mergers & Acquisitions (IMA) der Universität Witten/Herdecke hat insgesamt 103 Fusionen mit Beteiligung deutscher Unternehmen untersucht. Obwohl man relative gute Erfolgsquoten bei Mittelständlern bis zu einer Milliarde Mark Umsatz feststellen konnte war das Gesamtergebnis dieser Studie ernüchternd: Nur bei 44 Prozent der fusionierten Unternehmen stieg der Umsatz und bloß bei 24 Prozent der Börsenkurs.
Die Ursachen für den Misserfolg von Fusionen sind vielfältig:
Niedrige Integrationsgeschwindigkeit und damit lange Integrationsphasen
führen zu Unsicherheit und Motivationsschwierigkeiten unter den
Mitarbeitern. Damit wird verhindert, dass die vorhandenen Ressourcen
zielgerichtet eingesetzt werden und die Optimallösung erreicht wird.
Eine konsistente Unternehmensausrichtung des neuen Gesamtunternehmens
fehlt häufig und damit fehlt auch der Identifikationsgegenstand für die
Mitarbeiter. Die Arbeitsmoral verschlechtert sich, Leistungsträger
wandern ab, und die Produktivität des neuen Unternehmens sinkt
drastisch. Oft werden mit den Mitarbeitern auch Kunden zu Wettbewerbern
abgezogen, wodurch zusätzlich noch Marktanteile verloren gehen.
Tatsache ist, dass eine Integration nicht zum Core Business einen Unternehmens gehört und damit tendenziell als lästiges und unbeliebtes Beiwerk gesehen wird, dass schnellstmöglich erledigt werden muss, um sich wieder dem Tagesgeschäft widmen zu können. Dabei gehört die Optimierung der Integrationsprozesse angesichts der zunehmenden Ansprüchen an Unternehmenszusammenschlüsse und Akquisitionen zu den anspruchsvollsten und wichtigsten Herausforderungen der Unternehmen von heute.
Integrationsmanagement
Eine professionelle Integrationsgestaltung und Organisation von Integrationsprozessen kann diese negativen Effekte eindämmen oder im Idealfall sogar ganz verhindern. Nur so können die identifizierten Synergiepotentiale realisiert und das angestrebte Unternehmenswachstum erreicht werden.
Viele Fusionen werden in der Pre-Acquisiton-Phase tiefgehend analysiert und teilweise professionell unterstützt, sobald die Verträge unterschrieben sind endet die Planung und es wird erwartet, dass sich die beiden Unternehmen irgendwie "zusammenraufen". Diese Vorgehensweise ist allerdings nur in Ausnahmefällen erfolgreich und kann dem Unternehmen richtig schaden. Eine konsequente Integrationsplanung erhöht die Erfolgsquoten nachweislich drastisch.
Aus diesem Grund ist ein Projekt Management erforderlich, das sofort nach Abschluss der Verträge die Vorgehensweise der Integration einleitet und später auch die Umsetzung der erarbeiteten Konzepte und Strategien leitet und unterstützt. Je nach Umfang und Komplexität der Fusion kann das gesamte Integrationsprojekt ein bis zwei Jahre beanspruchen und eine Vielzahl von Einzelprojekten umfassen.
Integrationsgestaltung
Bevor Milestones definiert werden können, sind aus den Fusionsabsichten die konkreten Ziele für die Integration abzuleiten. Da diese Ziele Grundlage der gesamten Integrationsbemühungen sind, ist sowohl auf die Formulierung und Dimensionierung des Ziels zu achten, als auch auf die an der Zielfindung beteiligten Personen und Stellen. Je breiter die Basis ist, die diese Ziele erarbeitet, desto größer ist der Rückhalt bei der Durchsetzung dieser Ziele, umso größer sind aber auch Abstimmaufwand und Zeitbedarf. Da der Erfolg einer Integration letztendlich an finanziellen Kennzahlen gemessen wird, müssen auch klare Umsatz-, Ergebnis- oder Renditeziele festgeschrieben werden. Auch die erwarteten Synergiepotentiale müssen nicht nur benannt, sondern auch beziffert werden. Daneben können qualitative Aussagen zur relativen Marktstellung im Verhältnis zu einzelnen Wettbewerbern oder zur Präsenz auf regionalen Märkten getroffen werden. Darüber hinaus sollte das Unternehmen die Integration aber auch als eine Gelegenheit zur Überprüfung der bisherigen Organisation zu nutzen. Wird es als notwendig erachtet können weitere Ziele wie z.B. die Neuorganisation in Profit Centern oder die Einführung von Arbeitszeitmodellen oder Incentive-Systemen sein.
Um die Vielzahl und auch die Komplexität der Einzelprojekte zu steuern, muss eine klar strukturierte Organisation mit definierten Verantwortlichkeiten geschaffen werden. Bei kleineren Unternehmen mit wenigen Produktbereichen, deren Umsatz ca. 500 Millionen Euro beträgt, hat sich eine dreigliedrige Projektorganisation aus Integrationsvorstand, Integration-Office, das die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen unterstützt und Projektteams, die Maßnahmen erarbeiten, in der Praxis bewährt. Bei "Mega-Fusionen" ist es ratsam zusätzlich einen Lenkungsausschluss einzusetzen, der die Verabschiedung von Maßnahmen in Teilprojekten z.B. in einzelnen Geschäftsbereichen übernimmt.
Wichtig ist, dass der Integrationsvorstand und der Lenkungsausschluss zu jedem Zeitpunkt in der Lage sind und schnelle Entscheidungen zu treffen, handle es sich um Organisationsfragen oder Personalentscheidungen. Es muss außerdem kommuniziert werden, dass die Integration von oberster Unternehmensführung unterstützt wird. Besonders deutlich wird die Unterstützung, wenn der Vorstand persönlich im Lenkungsausschluss der Integration sitzt.
Neben der Aufwandsplanung für die Integration und die Aufstellung eines vorläufigen Budgets für das neue Gesamtunternehmen ist an dieser Stelle bereits mit der Kommunikation zu beginnen. Von Anfang an ist eine Stelle zu benennen, die für die Kommunikation der Projektziele, des Projektfortschrittes und der Ergebnisse oder Entscheidungen an Mitarbeiter und Kunden verantwortlich ist. Nichts gefährdet den Erfolg eines Integrationsprojektes mehr als Unsicherheit unter den Mitarbeitern und Geschäftspartnern. Es ist deshalb sicherzustellen, dass so weit wie möglich Transparenz über die Integrationsvorhaben und Ziele herrscht und jeder Kunde, Lieferant oder Mitarbeiter eine Anlaufstelle bei Fragen zur Integration hat.
Integrationsdurchführung
Die Gestaltung des Übergangs zur Realisierungsphase ist von ganz entscheidender Bedeutung für den Gesamterfolg der Integration. Bis dahin hat ein "eingeschworener" Personenkreis Konzepte für die Zukunft es neuen Gesamtunternehmens entwickelt. Mit dem Übergang in die Durchführungsphase nicht die Anzahl der beteiligten und betroffenen Personen exponentiell zu. Und jedes Konzept ist nur so gut, wie die Personen die dieses Konzept umsetzen sollen. Da die meisten Projekte komplexe und anspruchsvolle Aufgaben mit sich bringen, ist darauf zu achten, dass kompetente und motivierte Mitarbeiter aus Linien- und Stabsfunktionen für die Integrationsteams gewonnen werden, die über Prozess- und Marktkenntnis verfügen und sich außerdem mit der gestellten Aufgabe identifizieren.
Ebenfalls ausschlaggebend für den Gesamterfolg der Integration ist die Priorisierung der Integrationsprojekte, d.h. die Reihefolge in der man Konzepte umsetzt. Hier stehen mehrere Ordnungskriterien zur Verfügung, die sich nicht gleichzeitig realisieren lassen. Schnelle Erfolge bestätigen die Berechtigung des Gesamtprojektes und motivieren,den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. Aus diesem Grund sind diejenigen Teilprojekte zeitlich zu forcieren, die schnell einen Betrag zur Steigerung des Gesamtunternehmenswertes beitragen. Grundsätzlich ist allerdings auch anzustreben, große Projekte mit starker Veränderungswirkung zu priorisieren, da kleinere Projekte sich bereits an den veränderten Rahmenbedingungen orientieren können. Abhängigkeiten einzelner Projekte voneinander erschweren den Priorisierungsprozess zusätzlich.
Ein letzter, aber nicht minder wichtiger, Aspekt der Einfluss auf den Erfolg einer Unternehmensintegration hat, ist das Projekt-Controlling. Dabei handelt es sich um das individuelle Nachhalten der Ziele und der aktuellen Stati einzelner Projektteams für die Erstellung des Integrationsmaterplans. Zum anderen beinhaltet es das Maßnahmencontrolling, welches auf Gesamtunternehmensebene alle entwickelten Maßnahmen aus den Teilprojekten zusammenführt und den Stand der Werterzeugung nach Themenbereichen auf Einzelprojektebene zeitlich detailliert nachhält. Bei großen Integrationsprojekten hat sich die Einsetzung eines eigenständigen Teams bewährt, welches full-time zusammen mit den Teilbereichen die Umsetzung der Maßnahmen verfolgt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Fusionen aufgrund von zunehmender Globalisierung, erhöhtem Kostendruck und kürzeren Produktlebenszyklen eine zunehmende Bedeutung zukommen wird. Doch umso mehr müssen bei jeder Fusion neben den verlockenden Synergiepotentialen und Wachstumspotentiale auch die Gefahren eines Zusammenschlusses oder einer Übernahme realisiert werden. Denn nur frühzeitiges Vorbeugen kann sicherstellen, dass die Fusion auch die erwünschten Erfolge bringt. Und obwohl jedes Integrationsprojekt allein durch die Branchen, die Region oder die Unternehmensgröße einen individuellen Charakter aufweist gibt es fünf allgemeine Grundsätze die zu berücksichtigen sind.
Weiterführende Literatur: