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IT – Offshoring wächst in neue Dimensionen

[09.06.2008]

Foto: alphaspirit / fotolia.com
Die große Zeit für deutsch-indische Kooperationen wird noch kommen. Davon ist Ricarda Wildemann, trotz der bisher oft entmutigenden Erfahrungen mit IT-Offshoring, überzeugt. Als technische Beraterin bei der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) führte Sie eine Bestandsaufnahme bisheriger Analysen durch und kombinierte diese mit fünf Fallstudien Offshore-erfahrener, deutscher Unternehmen in Indien. Zudem wurden mehr als sechzig Interviews mit Experten in Europa und Indien geführt. Gerade Offshore-Verlagerung höherwertiger Leistungen – Stichwort Business Process Outsourcing und zum Application Service Provisioning - stellt an beide Seiten Anforderungen, denen man bisher nur selten gerecht werden konnte.

"Im Offshoring von IT-Dienstleistungen sind die Kinderschuhe noch nicht verlassen", so Wildemanns Fazit nach einer Bestandsaufnahme bisheriger Analysen, kombiniert mit fünf Fallstudien in deutschen Unternehmen mit Offshore-Erfahrung in Indien und mehr als sechzig Interviews mit Experten in Europa und Indien.

Denn gerade Offshore-Verlagerung höherwertiger Leistungen - Stichwort Business Process Outsourcing und Application Service Provisioning - stelle an beide Seiten Anforderungen, denen man bisher nur selten gerecht werden konnte. Die GTZ-Expertin: "Der Trend zur Auslagerung anspruchsvoller Inhalte wird hauptsächlich durch mangelnde Erfahrung, zu wenig standardisierte Vorgehensweisen und überzogene Erwartungen behindert." Zu hohe Ansprüche an die realisierbaren Kostenvorteile, mangelhaftes Controlling in der Vorbereitung und Durchführung sowie eine Unterschätzung der Anforderungen an das Management der anstehenden Aufgaben hätten regelmäßig zu Enttäuschungen geführt.

Es fehle eine systematische Aufbereitung der Managementmethoden für ein erfolgreiches IT-Offshoring und die Einschätzung des gesamten Vorganges: "IT-Offshoring ist eine anspruchsvolle Managementaufgabe, die von der Vorbereitung bis zum Vertragsabschluss und über die gesamte Dauer der Kooperation professionell wahrgenommen werden muss."

Vor allem drei Bereiche riefen geradezu nach Verbesserung:

  1. Erwartungsmanagement wurde zu wenig gepflegt: In der Mehrzahl der Fälle wurde ohne weitere Analysen von spektakulären Kostenvorteilen ausgegangen, die sich dann nicht einstellten.
  2. Qualifikationssicherung des Humankapitals wurde vernachlässigt. Offshoring-Projekte gelingen aber nur dann, wenn die Mitarbeiter auf beiden Seiten motiviert und gut ausgebildet sind sowie vertrauensvoll miteinander kommunizieren. Man braucht für den Job wirklich motivierte Mitarbeiter.
  3. Das Management zum Vertragsabschluss hin und in der Durchführung wurde nicht gepflegt. Doch gerade internationale Projekte, besonders im schnelllebigen IT-Bereich, verlangen ein hochklassiges und bewusst gestaltetes Arbeiten im Netzwerk zwischen dem deutschen Auftraggeber und dem indischen Dienstleister.

Trotz der bisherigen Probleme und trotz der hohen Steigerung bei den Lohnkosten werde das häufig schon als überholt gescholtene Offshoring von IT-Dienstleistungen nach Indien in den kommenden Jahren für deutsche Unternehmen weiter an Bedeutung gewinnen, davon ist Wildemann überzeugt. Die Gründe dafür liegen einerseits in den Anforderungen der Unternehmen selbst und andererseits "in der international hervorragenden Qualität der Angebote der Inder sowie deren Bereitschaft, auf die Anforderungen der deutschen Partner verstärkt einzugehen."

Daher bleibe das anglophile Indien "das Land der ersten Wahl im IT-Offshoring", so Wildemann. Denn die indischen Unternehmen hätten selbst durchaus die Zeichen der Zeit erkannt: "Sie sehen ihre Zukunft als Partner deutscher Unternehmen bei anspruchsvollen IT-Aufgaben, die eine enge Kooperation über die gesamte Laufzeit hinweg erfordern."

Dafür seien sie auch bereit, gut bezahlte Teams zu stellen. Damit würden die Inder auch eines ihrer Probleme lösen: "Gegen die hohe Fluktuation bei den umworbenen IT-Fachkräften helfen höhere Gehälter für höherwertige Jobs am besten."

Wie entgeht man den Fallstricken?

  1. Im ersten Schritt muss das auszulagernde Paket genauestens definiert werden. Jede spätere Ergänzung, Erweiterungen oder zusätzliche Features werfen die Planung und die Kostenkontrolle durcheinander.
  2. Bei der Auswahl des indischen Partnerunternehmens sowie bei der Formulierung der Verträge ist die Beteiligung eines externen Beraters mit einschlägiger Erfahrung die wichtigste Regel. Den Experten braucht man, weil es bei den indischen Anbietern große Unterschiede gibt. Verträge sind brisant, weil deutsche und indische Gesetze nicht kompatibel sind. Die beste Lösung ist ein Vertrag nach deutschem Recht, der dann geschlossen werden kann, wenn das indische Unternehmen eine Tochter in Deutschland hat.
  3. Unternehmen mit Offshore-Erfahrung unterstellen deshalb die Vorbereitungsphase einem Teamleiter, der das Projekt planmäßig durchführen kann. Denn in der bisherigen Praxis haben Fehler in der Vorbereitung mehr als die Hälfte der Projekte verteuert oder sogar zum Scheitern gebracht.
  4. Die Gestaltung der Kooperation mit dem indischen Partnerunternehmen muss als eine auf Dauer angelegte Managementaufgabe verstanden werden. Dabei ist wichtig, dass deutsche und indische Teams auf einem Level miteinander kommunizieren. Bewährt hat sich ein spiegelbildlicher Aufbau der Teams.
  5. Die beteiligten Mitarbeiter müssen Experten auf ihrem Gebiet sein. Sie müssen darüber hinaus die Kunst beherrschen, kulturelle Unterschiede zu verstehen und zu überbrücken. Die Aufgabe umfasst auch die Sicherung des Know-hows im deutschen Unternehmen. Darüber hinaus gilt es, die technische Entwicklung mitzumachen und im Bedarfsfall für das laufende Projekt zu nutzen.

Weiterführende Literatur:

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