[06.10.2005]
Das betrachtete Unternehmen, ein Systemlieferant der Automobilindustrie, erzielte in 2004 weltweit einen Umsatz von über 2 Mrd. EUR. In der betrachteten Geschäftseinheit wurde ein Umsatz von über 250 Mio. EUR erwirtschaftet. Im Vergleich zu anderen Zulieferern der Automobilindustrie ist das Unternehmen bereits seit über zehn Jahren in Osteuropa und Nordafrika tätig und daher sehr mit den unterschiedlichen externen Rahmenbedingungen wie der jeweiligen Kultur vertraut. Aufgrund der seitens der Automobilindustrie forcierten Supplier Footprint Optimization wurden in der Vergangenheit weitere Leistungsumfänge von Deutschland nach Osteuropa fremdverlagert. Mit diesem Schritt gingen jedoch nicht nur Vorteile einher. So reduzierte sich die Produkt- und Prozessqualität in immer kürzeren Abständen. Dies führte zu einem bisher in dieser Höhe nicht budgetierten Materialmehrverbrauch sowie einer deutlichen Abweichung der Ist- von den Soll-Fertigungsminuten. Die bislang eingeleiteten Einzelmaßnahmen führten teilweise zu einer kurzfristigen Prozessstabilisierung. Eine Nachhaltigkeit konnte jedoch dadurch nicht erreicht werden. Im Gegenteil: Nach nur kurzer Zeit stellte sich wieder der Ausgangszustand ein. Ferner konnte festgestellt werden, dass durch einige der Maßnahmen zwar Verbesserungen im betrachteten Bereich erzielt werden konnten, die sich aber kontraproduktiv in Bezug auf die vorgelagerten Bereiche erwiesen. Erschwerend war hinzuzufügen, dass der Aussagegehalt der Informationen und Daten nur gering war, so dass es insbesondere galt, das Know-how der involvierten Mitarbeiter zu strukturieren. Dieses sollte zudem im Sinne eines Wissensmanagements dokumentiert werden, um bei zukünftigen Maßnahmen herangezogen zu werden. Des Weiteren war das Programm-Management zu institutionalisieren, um im Sinne eines Kaskadenmodells kommunizieren zu können.
Um das vorliegende Wissen der Mitarbeiter richtig zu strukturieren, wurde ein Hypothesenbaum mit dem Ziel der Verbesserung der Produkt- und Prozessqualität für jeden Fertigungsbereich erstellt. Die dabei formulierten Maßnahmen sollten entsprechend ihres Charakters in folgende Gruppen untergliedert werden: Technologie, Prozess, Arbeitsorganisation. Durch diese strukturierte Vorgehensweise konnte gewährleistet werden, dass die einzelnen Maßnahmen vergleichbare Abstraktionsniveaus und Detaillierungsstufen besitzen. Damit konnte einem Problemfeld entgegnet werden, mit dem häufig der Moderator bei anderen Kreativitätstechniken wie Brainstorming konfrontiert ist. Hier werden Vorschläge unterbreitet, die sich auf unterschiedlichem Abstraktions- und Detaillierungsniveau befinden und zudem verschiedene Themenfelder teilweise gleichzeitig adressieren. Dem Moderator obliegt es dann in diesem Fall, die Maßnahmen zu strukturieren, was ihm häufig nur unter Einbeziehung der Experten gelingt, wenn er selbst das geforderte Know-how nicht innehat. Die hypothesengestützte Definition von Maßnahmen zwingt somit die Teilnehmer dazu, auf den erforderlichen Niveaus zu denken und zu diskutieren. Dem häufigen Vorwurf, eine solche Vorgehensweise sei nur für Mitarbeiter mit einem höheren Qualifikationsniveau geeignet, kann nicht entsprochen werden. Vielmehr liegt es im Verantwortungsfeld des Moderators, zu Beginn die Teilnehmer mit einem einfachen Beispiel hinlänglich über die eingeschlagene Vorgehensweise in Kenntnis zu setzen. Nach einigen kürzeren „Anlaufverlusten" zeigte sich, dass die Geschwindigkeit zur strukturierten Maßnahmendefinition beachtlich gesteigert werden konnte. In vielen früheren Programmen zur Prozessoptimierung war als weiterer Nachteil festzustellen, dass die Maßnahmen ausschließlich auf die Optimierung eines Fertigungsbereichs ausgerichtet waren und die Wechselwirkungen zu den vorgelagerten oder nachgelagerten Fertigungsbereichen nicht berücksichtigten. Die Folge war, dass vielfach kontraproduktive Maßnahmen generiert wurden. So wurde bspw. aufgrund von unterschiedlichen Lackdicken der Auftrag an bestimmten Formelementen erhöht, was dazu führte, dass zwar dort nun eine Prozessverbesserung erzielt wurde, jedoch später die Zierteile nicht mehr befestigt werden konnten. Es wurde daher eine Vorgehensweise im Sinne von mehreren Regelkreisen ausgehend vom letzten Fertigungsschritt, der Montage, gewählt. Infolgedessen wurden bei allen definierten Maßnahmen darüber Aussagen getätigt, inwieweit diese sich auf andere Fertigungsbereiche auswirken. Zusätzlich wurden im wöchentlich stattfindenden Watchtower-Meeting die definierten Maßnahmen und später der Arbeitsfortschritt sowie die Ergebnisse einander präsentiert. Neben einer subjektiven Bewertung der Maßnahmen hinsichtlich ihres Beitrags zur Prozessoptimierung wurde teilweise eine quantitative Bewertung vorgenommen. Die erforderlichen Daten entstammten den BDE- und MDE-Erfassungssystemen sowie den Logistik- und Kostenrechnungssystemen. Des Weiteren wurde auf die unternehmensinterne Wissensdatenbank zurückgegriffen, um zu prüfen, ob eine vergleichbare Maßnahme bereits zu einem früheren Zeitpunkt definiert worden war und welches Ergebnis sich innerhalb der vorgelagerten Versuche oder bei der Implementierung eingestellt hat. Dieser unabdingbare Arbeitsschritt wurde vor dem Hintergrund, dem Vorwurf der Redundanz zu entgegnen, in die Vorgehensweise aufgenommen. Es sei hierbei zu erwähnen, dass das Unternehmen bislang mit Ishikawa-Diagrammen und in Verbindung mit den 5 Ms und 7 Ws schon hohe Erfahrung besaß, diese dokumentiert war und somit der Mehrwert der obigen hypothesengetriebenen Vorgehensweise dargestellt werden konnte. Die Maßnahmen wurden in einer für diese Aufgabe durch das TCW konzipierten Access-Datenbank dokumentiert, um die Vielzahl der Maßnahmen entsprechend zu archivieren und über Suchfunktionen auch wieder heranziehen zu können. Über verschiedene Attribute erfolgte somit eine eindeutige Klassifizierung der Maßnahmen. Ein geeignetes Nummernsystem unterstützte die Archivierung. Auch die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Fertigungsbereichen konnten über „Default"-Funktionen angewählt werden. Hinsichtlich der Umsetzung der Maßnahmen wurden Expatriats aus Deutschland, im Wesentlichen Meister und Vorarbeiter, hinzugezogen, die bereits über umfangreiche Kenntnisse in dem jeweiligen Fertigungsbereich verfügten. Somit fand auch ein personell verankerter Know-how-Austausch zwischen den deutschen und den osteuropäischen Mitarbeitern statt.
Die zu Beginn des Programms zur Prozessoptimierung quantifizierten Ziele Produktivität, Fertigungsminuten und Qualität konnten mit Hilfe der in den Workshops gemeinsam definierten Maßnahmen zeitnah umgesetzt werden. Konkret bedeutet dies: